Und frische Luft soll ja auch so gesund sein

Von daher immer eine gute Idee, sie des Öfteren aufzusuchen.

Dachte sich auch meine Arztpraxis, bei der ich heute vorstellig werden musste, um einen gelben Zettel zu erhalten, der in meinem Fall allerdings rosa ist.

Gut, dass ich rosa mag. Und frische Luft! Denn ich bin ja Opfer der großen Erkältungswelle geworden und musste zur Infektsprechstunde.

Bei meinem ersten Versuch, als ich das noch nicht so genau zugeordnet hatte, weil der Anrufbeantworter, der alle Anrufe der Arztpraxis entgegennahm, da keine Unterscheidungen zwischen Akut- und Infektsprechstunde anbot, standen die zukünftigen Patienten noch alle bis zum Flur. Auch war es aufgrund der Maskenpflicht etwas schwierig zu verstehen, ob der letzte in der Reihe nun noch auf seine Audienz wartete, und eine Oma schob sich keuchend dazwischen, als wären wir alle unsichtbar.

Vielleicht ist die Maske eigentlich eine Art Tarnkappe für Rentner, die den Sinn dahinter nicht erkennen. Na, egal. Ich kam dran, wurde befragt, und dann durfte ich um sechzehn Uhr zur Infektsprechstunde erscheinen, welche bis sechzehn Uhr dreißig gehen sollte.

Da standen sie dann schon bis auf die Straße. Schwester Viola kam im Fünfminutentakt hinaus, um Wartenummern zu verteilen. Ich war die Nummer sechs, und Nummer fünf greinte in sein Telefon, dass er hier jetzt bestimmt eine Stunde auf der Straße herumstehen müsse. Mir graute, aber wenigstens nicht im engen Wartezimmer sitzen.

Mussten wir nicht. Eine gute halbe Stunde später war ich offiziell krank, mittlerweile hat sich meine Temperatur erhöht, was sie vor meinem Arztbesuch noch nicht getan hatte. Überhaupt ist das alles ein einziges Elend. Die Symptome kommen scheibchenweise. Erst Husten, dann Schnupfen, zu dem sich schnell ein paar nette Kopfschmerzen gesellten, und jetzt Temperatur und ein recht frostiges Gefühl, dessen ich gleich in der Badewanne einheizen werde.

Danach lege ich mich ins Bett und überlege noch im Ausüben dieser Bewegung, ob ich mir den zweiten Wilsberg anschalte oder nicht. Ich kann die Filme eh alle mitsprechen. Aber vielleicht lenkt mich das ab.

Von dem quälenden Umstand, heute kein einziges Weihnachtsgeschenk fertiggestellt zu haben, wozu ich in den vergangenen Tagen irgendwie noch in der Lage war. Kissen sind ja recht einfach, wahrscheinlich das einfachste auf der Welt, zumindest solange man sich für einen formschönen Hotelverschluss entscheidet und gegen den Reißverschluss. Obwohl… so ein Reißverschluss ist ja an und für sich auch keine besondere Herausforderung, aber eben doch mit erhöhter Temperatur.

Unabhängig davon bin ich etwas unzufrieden mit mir selbst, denn ich habe demjenigen, wer auch immer es letztendlich war, noch gar nicht gebührend bedankt, mir diese Seuche zur Verfügung gestellt zu haben. Ich habe natürlich überhaupt keinen Verdacht, wo das herkommt, zumal die Inkubationszeit bis zu acht Tagen betragen kann.

Weiß ich, wen ich in dieser Zeit alles getroffen habe?

Ich bin in der Hauptstadt. Hier gibt es sehr viele Menschen. Und dann auch noch Touristen.

Aber so richtigen Husten hatte davon nur einer.

Apropos: Mein kommendes Wochenende als Kurzzeittouristin sehe ich gerade heftig schwinden. Ist in Ordnung, denn wenn der mangelhafte Informationsfluss, auf dessen wunderschönen Uferstreifen ich nur deshalb blicken konnte, weil ich gefragt habe, als Omen für den Verlauf des ganzen Wochenendes stünde, wüsste ich jetzt auch nicht, wie scharf ich darauf gewesen wäre.

Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich in der nächsten Woche nicht eine Folgekrankschreibung beantragen kann.

Was günstigerweise per Email geht.

Womit allerdings gleich zwei Wochenenden in Folge komplett eingesaut wären.

Ich weine dann später.

Am besten an der frischen Luft.

Gebt mir bloß mein Fragezeichen

Ja, ich schaffe es auch vom Krankenbett aus, meine liebe Kollegin Anne etwas mundtot zu machen.

Da wollte sie vorhin wissen, was passiert ist, dass ich in der vergangenen Nacht kein Auge zu tat. Leider hatte sie, wie so oft, um nicht immer zu sagen, vergessen, diese Frage mit einem Fragezeichen zu garnieren. Und das kann ich nunmal nicht leiden. Ich kriege sogar förmlich Aggressionen davon. Du kannst mal ein Komma weglassen oder generell große Buchstaben, all das stößt keinen Stein in mir an, aber konsequenterweise die Fragezeichen wegzulassen, geht gar nicht.

Das stört doch die optische Satzmelodie.

Und das vor allem von Personen, die das Schreiben auf Tastaturen beruflich erlernt haben, da sollte man selbst bei einem iPhone wissen, wo sich die erweiterten Satzzeichen verbergen. Na, vielleicht ist es auf dem apfelhaltigen Telefon ja was anderes. Ich weiß es nicht.

Aber ich liege ja auch krank darnieder, da ist es jetzt weniger dramatisch, wenn mich mein Kollegium mal am Abend in Ruhe lässt. Mein liebes Kind hatte in der letzten Woche eine ganz ähnliche Erscheinung. Aber der lag zwei Tage einfach nur im Bett, und dann war das ausgestanden. Davon hatte ich gestern auch noch geträumt. Aber nix. Ich kann auch gar nicht so durchgängig schlafen, weil meine Nasenlöcher so wenig Luftstrom zulassen, dass ich des Nachts befürchte zu ersticken, und dann bin ich wieder wach.

Gern um halb eins am Morgen. Heute um diese Zeit habe ich dann vor lauter Verzweiflung meinen Angela-Merkel-Krimi gelesen. Bis das Buch alle und zumindest meine Hand eingeschlafen war. Der Rest folgte stehenden Fußes, und heute früh sagte meine App, ich hätte ganze fünfzig Minuten geschlafen. Sie hat sich noch bezüglich der Zeit zwischen kurz vor drei und zehn Uhr morgens korrigiert, aber gesünder gemacht hat mich das nicht.

Und je mehr ich im Bett liege, umso kränker fühle ich mich danach. Dabei passt mir das Hüten von Couch und Bett im Wechsel in dieser Woche überhaupt nicht.

Nur wegen des Wochenendes.

Vielleicht sollte ich mir dieses jetzt schonmal visualisieren, vielleicht weckt das meine Selbstheilungskräfte.

Mache ich jetzt.

Direkt von der Couch aus.

Und das Ganze ohne Fragezeichen.

Ob das in der Kombination wohl was werden wird?

Nicht funktionierende Sätze

Ich habe vielleicht Freundinnen!

Um das Wochenende gestern gebührend zu begrüßen, war ich bei Heidi. Und eigentlich wollte ich ihr nur zeigen, wie ich Kimchipancake mache.

Dann winkte sie mit der Sektflasche. Und mit einem Rabattcouponheft, das sie in der Apotheke erhalten hatte.

Der Satz Ich trinke nur ein kleines Glas Sekt funktioniert schonmal nicht hundertprozentig. Nach dem einen Glas war ich so angeheitert, dass ich mit Mühe nur noch ein weiteres halbes einschenken ließ. Und das Rabattcouponheft enthielt einen Nachlass in einem Stoffhandel, den ich noch nicht kannte. Der Satz Ich brauche keinen Stoff funktioniert auch nicht.

Weil Heidi ein Paneel wollte. Und ich magentafarbenen Cord. Dann doch. Und Regenbogenstoff. Auf den ich mich trotz direkter Nachbarschaft von Grün und Blau sehr freue. Kann man damit doch ein Statement setzen. Denn wer wen liebt, ist mir ziemlich ritze, Hauptsache, die Leute lieben sich.

Nach eintausendzweihundertsiebenunddreißig Stoffen, die wir uns auf dem Handydisplay angeguckt haben, kann ich aber sagen, dass es ein sehr schöner Auftakt fürs Wochenende war, den ich gar nicht so schnell hätte beenden müssen. Aber ich wollte die Heute Show zu Hause sehen, und deshalb musste ich rechtzeitig los. Außerdem wollte ich ja heute früh nicht so spät aufstehen.

Weil ich mit Katja verabredet war, und wir wollten gucken, ob das Maybachufer noch da ist. Also, dass das Ufer noch existiert, war eigentlich klar, aber am Sonnabend ist da immer Kreativmarkt, und da war ich schon recht lange nicht mehr. Habe noch zu Heidi gesagt, dass ich ja heute Katja bei mir habe, denn auch auf dem Maybachufer gibt es allerlei Stoff zu erwerben, und Katja würde mich schon abhalten.

Katja hielt mich nicht ab.

Der Satz Ich brauche keinen Stoff hat heute genauso wenig funktioniert wie das Mantra Ich brauche keinen Schmuck.

Brot hätte ich eher brauchen können, aber das gibt es nicht mehr. Weil nämlich heute etwas geschehen ist, womit ich im Leben nicht gerechnet hätte, und zwar, dass Katja unseren Termin um eine ganze Viertelstunde nach hinten verschieben wollte, was ich erst las, als ich schon sehr pünktlich aus dem Haus gegangen war (auch etwas, womit ich in meinem Leben nicht gerechnet hätte), nutzte ich die Gelegenheit, um zwischendurch schnell zu Netto zu gehen, weil ich zehn Minuten früher als ursprünglich verabredet am Treffpunkt war, und so wollte ich nach dem tollen Saatenbrot von letztens gucken, aber das war wohl nur eine Einmonatsfliege. Danach war ich nur noch bei Lidl, weil es da WLAN gibt und ich Katja schreiben konnte. Seit über drei Jahren habe ich dieses schlaue Telefon und bin immer noch darauf angewiesen, dass freundliche Gastronomen mir ihr WLAN-Passwort verraten.

Das hat der freundliche Gastronom heute auch wieder getan, so konnte ich Heidi gleich die Beweisfotos zur Tatsache schicken, dass es ihr Paneel auch am Maybachufer gab, allerdings anderthalbmal so teuer.

Meinen Kaffee hat der Knabe allerdings vergessen. Na gut, dafür hat er mir die Toilettentür aufgehalten. Ich gehe nämlich immer, wenn ich am Sonnabend länger am Maybachufer bin, in diesem Café Kaffee trinken, weil es dort eine Toilette gibt, die man als Frau auch benutzen darf, was bei weitem nicht in jedem Etablissement in dieser Gegend der Fall ist.

Nur war ich offensichtlich schon ziemlich lange nicht mehr da. Auch scheinen noch andere neben mir genau diesen Gedanken zu leben. Das Klo kostet jetzt. Man kommt gar nicht rein, ohne Münzen in den Schlitz zu stecken. Ich drehte also um, um Kleingeld aus meiner Tasche, die ich bei Katja am Tisch geparkt hatte, zu holen. Vorsichtshalber siebzig Cent, man weiß ja nie. Und ich sagte noch zu ihr Wenn ich gleich wieder da bin, reichen die siebzig Cent nicht aus.

Ich war gleich wieder da.

Ein Euro.

Also noch dreißig Cent hinzugefügt, und dann stand ich mit meiner vollständigen Münzsammlung vor dem Schlitz an der Tür.

Das Fünfzigcentstück passte nicht rein. Man sollte einen richtigen Euro reinstecken. Ich also zum freundlichen Gastronom und darum gebeten, das Geld zu wechseln. Der meinte nur, er würde das für mich übernehmen. Weil ich mich so um meinen Toilettengang bemüht hatte.

Zu meiner vermissten Kaffeetasse sagte ich an der Stelle mal nichts. Zu Hause schmeckt mir mein Kaffee eh immer am besten. Dafür war das Papier alle. Was ich allerdings über das momentan recht langwierige Händewaschen völlig vergessen hatte, am Tresen anzumerken. An der Stelle war meine Tasche schon voll und mein Portemonnaie leer.

Fast leer. Die letzten fünfundzwanzig Euro aus der Geldbörse habe ich nicht ausgegeben.

Weil ich die letzten fünfundzwanzig Euro, die ich ausgeben wollte, unbar bezahlt habe. Wobei mir Katja eine echte Hilfe war. Sie hat mich sehr animiert. Kauf dies, kauf das und das ist auch toll und oh, guck mal, das ist doch was für Heidi oder Lass uns noch zu Karstadt gehen waren Sätze, die sehr gut funktioniert haben.

Aber ich habe auch ein paar wirklich wundervolle neue Amethystohrringe, die viel schöner sind als die, die ich schon habe. Und zu Karstadt musste ich natürlich auch mit. Schon allein, weil es so ein Erlebnis war, die entsprechenden Räumlichkeiten am Hermannplatz zu erreichen. Irgendeine Inlinerrallye bewegte sich durch Neukölln. Man kam kaum bis nicht über die Straße. Weswegen wir auch den kompletten Hermannplatz einmal umrunden mussten.

Nur, um am Ende doch zwischen den ganzen Inlinern zu landen. Beziehungsweise zwischen den dazugehörigen Ordnungskräften, die die Absperrungen nur öffneten, wenn gerade nichts mit Rädern an den Füßen angeschossen kam.

Wenigstens bei Karstadt habe ich den Keuschheitsgürtel meines Portemonnaies aber verschlossen gehalten. Ich sollte wirklich mal darüber nachdenken, einen solchen anzuschaffen. Und auch darüber, den Schlüssel einfach wegzuschmeißen. Aber dann mache ich Onlineshopping, vor allem im letzten Quartal des Jahres. Das hat zwar eigentlich noch nicht angefangen, aber ich sehe das Jahresende schon mit sehr plastischen Augen vor mir. Und dann muss ich mich natürlich auch auf Weihnachten vorbereiten.

Von daher hat mir Katja heute wirklich sehr geholfen. Und Heidi gestern auch.

Ich hoffe dennoch, dass morgen nicht gerade Flohmarkt in Friedrichshagen ist. Zu diesem bin ich genau zu diesem Zeitpunkt nämlich in gefährlicher Nähe.

Aber ich setze mal auf Nele.

Irgendeiner muss mich ja auch ein bisschen vor mir selbst beschützen.

Grün und Blau schmückt die Sau

Tut mir jetzt leid für diejenigen, die dieser Farbkombination etwas abgewinnen können. Ich kriege davon Aggressionen.

Und zwar immer noch, weil ich 2010 einen Streit mit meinem Freund Vanja über diese Thematik hatte. Da sind wir uns fast an die gegenseitigen Kehlen gegangen, weil ich gesagt habe, dass ich die Kombination nicht schön finde, Vanja aber steif und fest behauptete Nein, die ist schön. Wenn ich sage, ich finde sie nicht schön, kann Vanja vielleicht sagen, dass er sie schön findet, aber nicht für mich oder die Welt festlegen, dass das schön ist.

So, hätten wir das auch geklärt.

Ich bin immer noch not amused über diesen Vorfall. Das merkt man vielleicht sogar ein bisschen.

Der ganze Gedanke kommt auch nur daher, dass ich mich heute in einem entfernt verwandten Kontext wieder über Grün mit Blau geärgert habe.

Erstmal kam ich zu spät zur Arbeit. Weil es mir gestern Abend so mittelmäßig ging, dass ich nicht damit rechnete, heute als vollständiger Mensch aufzustehen, was dann aber wider Erwarten doch geschah, und dann wusste ich nicht, was ich anziehen soll, und darüber kam ich zu spät.

Zu diesem wunderschönen Arbeitstag.

An dem mir Ruslana erklärte, dass Geimpfte, die trotzdem Corona kriegen, nicht krankgeschrieben werden sondern arbeiten müssen.

Genau.

Wo auch immer sie diesen Quatsch wieder her hat.

Aber sie hat es mir erklärt. Weil nämlich Ungeimpfte, die im Verdachtsfall in Quarantäne müssen, keine Lohnfortzahlung mehr erhalten sollen. Daraus hat sie gemacht, dass Geimpfte weiterarbeiten müssen.

Na, egal. Die werte Kollegin bietet ja so oft derlei wunderbare Stilblüten aus den Serpentinen ihres Gehirns an, dass ich ohne sie wahrscheinlich gar nicht wüsste, was ich überhaupt in mein Tagebuch reinschreiben soll.

Ferner rief mich meine liebe Leitung aus ihrem Homeoffice an. Auch eine Person mit interessanten Serpentinen hinter der Stirn. Sie hat die Tabelle, die ich ihr in der letzten Woche irgendwie nebenbei fertigstellen musste, beim ersten Anblick zerschossen. Dann hat sie sie nachgebaut. Inklusive interessanter Fehler und einer völlig unübersichtlichen Anordnung und mit in Grün und Blau unterteilten Bereichen. Diese schickte sie an die IT. Mit der Anmerkung, die Tabelle wäre von mir.

Also, es tut mir leid, aber von dieser Liste mit dem ganzen Kraut und den ganzen Rüben möchte ich mich distanzieren.

Habe dann meinerseits meine Korrektur an die Technik geschickt und ganz subtil angemerkt, dass in der Tabelle der Chefin was fehlte.

Außerdem würde ich nie mit Grün und Blau nebeneinander arbeiten. Ich würde die beiden Farben eher kräftig miteinander verrühren, dann ergäbe es Türkis, was nun wieder viel stärker mit meiner persönlichen Ästhetik konform geht, das sehe ich an meinem türkisen Rock.

Der war ja erst eher hellblau geraten. Hat mir natürlich nicht gefallen, weshalb ich ihn kurzerhand komplett mit türkiser Glitzerfarbe einsprühte. Was sehr schön geworden ist.

Außer hinten in der Mitte. Da ist das Türkis ein wenig dunkler. Es sieht ein bisschen so aus, als hätte ich mich in irgendeinen Ölteppich damit gesetzt. Oder als wäre andere Flüssigkeit an meiner Kehrseite ausgetreten und über die hinteren Oberschenkel nach unten geronnen.

Also, ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich werde wohl das soziale Experiment wagen und damit einmal außer Haus gehen. Claudia und Heidi fragen, ob die das auch so sehen. Man könnte auch noch ein paar zufällige Begegnungen auf der Straße in diese Feldstudie integrieren. Aber wie kommt das denn, wenn man Fremde auf der Straße fragt Sehe ich von hinten aus, als hätte ich mir in die Hosen gemacht?

Erstens bin ich viel zu schüchtern dafür, zweitens will ich die Antwort darauf doch lieber von einer vertrauten Person hören. Oder auch gar keine.

Ich könnte die Stellen auch bleichen, aber das wird dann wieder nichts, und dann habe ich helle Stellen an der Rückseite, was ja auch nicht so im Sinne des Erfinders ist. Dann denkt ja wieder jeder, ich wäre innerlich irgendwie ätzend.

Warum können die nicht auch einfach Textilsprühfarbe so konzipieren, dass sie gleichmäßig aufzutragen geht? Ich weiß, ich verlange wieder sehr viel von der Industrie. Aber das ist mir egal, die Industrie verlangt ja auch sehr viel von mir. Mein sauer verdientes Geld zum Beispiel.

Die Geldscheine in meinem Portemonnaie sind übrigens die einzige Stelle, an der ich Grün und Blau völlig unbedarft direkt nebeneinander arrangiere.

Bald nun ist Weihnachtszeit

Ja, Freitag in drei Monaten.

Und wir wissen, wie schnell der nächste Freitag manchmal kommen kann. Die restlichen drei Monate sind dann eigentlich nichts mehr. Ein Wimpernschlag im großen, kosmischen Kontext.

Auch wenn ich an dieser Stelle natürlich niemandem einen Ohrwurm verpassen möchte.

Niemals würde ich sowas tun.

Na ja, kommt halt immer auf die Tagesstimmung an.

Ich habe jedenfalls schon die ersten Arbeiten für Weihnachten angefangen. Doppelt sogar, weil ich im ersten Versuch etwas zu großzügig mit dem Epoxidzeug gearbeitet habe, so dass das Endprodukt jetzt etwas milchig ist. Aber ich habe es nochmal angefangen, und jetzt stinkt es hier erstmal recht durchdringend nach Kleber und so.

Ich brauche einen Ausgleich zum Tag. Und wenn es bedeutet, dass ich meinen komplett mit türkiser Glitzerfarbe eingesprühten Rock bis zum Erbrechen bügle, nur um ihn dann nochmal in die Waschmaschine zu stecken und zu hoffen, dass die Farbe nicht gleich ganz wieder abgeht. Auch eine drei Etagen beinhaltende Keksdose musste ich kaufen. Weil meine Mutter sich doch eine große Portion Kekse von mir wünscht, weil sie nicht mehr selber backen will.

Gegen meinen Arbeitstag ist das alles Pillepalle. Ausgleich halt. Wahrhaft!

Da quatscht mich doch heute meine liebe Leitung auf der Treppe an, ob ich einen entspannten Tag habe. Als ich daraufhin wortlos mit den Achseln zuckte, rutschte mir direkt mein Kopf, den ich gerade fröhlich unter dem Arm trug, weg. Mein Mund formte ein genervtes O, als er auf der Treppenkante aufschlug.

Ich vertrete immer noch irgendwie Anne.

Neben meiner Arbeit.

Die ersten zehntausend Schritte hatte ich kurz nach fünfzehn Uhr auf der Uhr, was früh ist und mir nur passiert, wenn ich den ganzen Tag hoch und runter renne, und dann fragt die Frau so eine Scheiße.

Als ich ging, wollte meine liebe Leitung dann noch wissen, ob Ruslana sich heute nochmal krankgemeldet hat.

Sie saß genau neben der Personalerin.

Die ja der Meinung ist, dass uns Verwaltungskolleginnen die ganzen Krankmeldungen nichts angehen.

Weil zu viel Wissen nur belastet, oder was? Aber das Thema hatte ich schon, jetzt will sie eine bewegte Pause einführen, und da bin ich dann wieder dabei. Weil ich mich beim Arbeiten ja nicht ausreichend bewege. Im Moment schon, und wenn es vor lauter Verzweiflung ist, weil Kollegen dringend noch in dieser Woche schwarze Lautsprecher brauchen, die aber nur in Camouflage lieferbar sind, und ich nicht weiß, ob ich die bestellen sollte oder nicht. Ich habe sie dann bestellt, weil es nichts anderes gab und weil das die einzigen waren, die in dieser Woche ankommen. Mir doch egal! Und wehe, da meckert einer! Ich habe mich bemüht, und jetzt habe ich Feierabend.

Da bemühe ich mich prioritär um meine Waschmaschine. Und den Abwasch. Außerdem wollte ich noch die Haare schön machen. Oder ich trage morgen einfach einen Knoten am Kopf. Ich will ja schließlich nach Feierabend wieder im großen Stil kleben, da ist das gar nicht so gut, wenn die Haare schön fluffig um den Kopf herum wallen.

Stört ja.

Wobei ich schon zugeben muss, dass ich mich generell sehr schnell gestört fühle.

Ich könnte jetzt wirklich dringend einen Zauberstab gebrauchen – Volume zwei

Ich könnte mich dann einfach auf eine einsame Insel in der Südsee zaubern. Eine Insel mit WLAN und Strom natürlich. Aber sonst brauche ich nichts. Vielleicht ein Kaufhaus, das Grundstoffe für meine hunderttausend Ideen liefert. Aber sonst nichts. Vor allem keine Menschen. Wobei ich mir das mit dem WLAN an der Stelle auch nochmal gut überlegen müsste, denn wer WLAN hat, bekommt auch WhatsApp, und wer WhatsApp bekommt, kriegt auch Informationen aus dem Umfeld. Dinge, die man schon immer mal nicht wissen wollte. Fotos vom neuen Kühlschrank der Kollegin (wenigstens noch interessant) oder ungefragte Kochrezepte, die man eh nie nachkochen wollte. Eben, weil sie ungefragt kommen.

Alternativ zur Insel wäre aber auch schön, wenn ich einfach nur bestimmte Teile des Umfelds in die Wüste zaubern könnte. Dann hätte ich meine ganze Infrastruktur inklusive stabiler Lebensmittelversorgung und ansonsten meine Ruhe. Der Pulsschlag würde sich bestimmt bessern.

Gestern war er nämlich dauerhaft auf hundertachtzig. Meine Woche in einem Satz: Ich soll zwar alles machen, bekomme aber die notwendigen Informationen für meine Arbeit nicht. Ich darf auch nirgends mehr ran. Wegen des Datenschutzes. Jetzt weiß ich nur nicht, wo ich Bescheid sagen muss, wenn ich vor lauter Datenschutz nicht mehr arbeiten kann. Oder kriege ich dann Bescheid?

Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur, dass ich staune, dass mein Kopf noch an der für ihn vorgesehenen Stelle steckt. Weil ich nicht nur meine Arbeit erledigen, sondern auch noch nebenbei Anne vertreten musste, die spontan eine Woche Urlaub nehmen musste, ferner erhielt ich noch einige Sonderaufgaben und sollte dann noch alle Pakete im Sekretariat öffnen, um zu gucken, was drin ist.

Genau. Die ganzen Pakete für die Technik reiße ich jetzt auf, damit der Elektrolurch sie nicht mehr transportiert kriegt. Ich kann mir die Konsequenz dieser Arbeitsanweisung auch am Wochenende sehr gut vorstellen. Rumpelstilzchen ist eine Paraderolle des betreffenden Kollegen, aber lassen wir das.

Ich befinde mich ja, wie ich bereits ganz subtil im vorvorherigen Satz angedeutet habe, im heiligen Wochenende. Deshalb habe ich mir jetzt auch mal die Freiheit herausgenommen, den angekündigten Satz zu einigen Absätzen werden zu lassen.

Und ich habe im Rahmen des jungen Wochenendes meinen ersten Knochen genäht. Es war am Anfang etwas schwierig, um die Ecke zu schneiden. Und am Ende schwierig, um die Ecke zu nähen. Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt, nachdem ich alles mit Füllwatte gefüllt habe, die Kurven nochmal nacharbeiten werde, damit der Stoff nicht absteht.

Aber erst morgen.

Jetzt kommt was im Fernsehen.

Was ich noch nicht kenne.

Und ich muss Füllwatte stopfen, ohne dass diese Beulen schlägt.

Dann komme ich heute doch nicht mehr durcheinander

Ich war etwas erschrocken heute. Plötzlich bekam ich eine Nachricht von Google, dass heute eine neue Folge Soko Kitzbühel kommt.

Und ich fragte mich: Wieso weiß Google, dass ich gerne die Soko gucke? Ich meine, ich tue das gemeinhin, damit ich weiß, welcher Wochentag ist. Und Kitzbühel kommt am Sonnabend. Ich befürchtete schon, dass ich dann morgen versehentlich zu Hause bleibe.

Dann wäre aber Google schuld gewesen.

So, und nun erklären wir DAS mal im Büro.

Welches heute so interessant war, dass ich um fünf Minuten vor Feierabend erstmals zur Ausübung meiner Kerntätigkeit gekommen bin. Bis dahin habe ich mehr oder weniger Anne vertreten und ein Fachinput zum Controlling gegeben. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Controlling ist definitiv nicht meine Aufgabe.

Leider war es so, dass ich heute früh keinen Bock auf Paprika hatte, weshalb ich mir nur ein paar Tomaten zum Frühstück abwusch, was dazu führte, dass ich irgendwie fünf Minuten länger Zeit hatte, was wiederum darin mündete, dass mein Frühsport etwas länger ausfallen konnte. Mit dem Ergebnis, dass ich dann doch erst um fünf nach neun im Büro erschien. Ein Ergebnis, das impliziert, dass ich auch fünf Minuten länger bleiben musste.

Es wurden fünfzehn, aber ich will ja nächsten Donnerstag ein paar Überstunden abbauen, und danach eilte ich aber schnell in den nächsten Baumarkt, um neuen Zweikomponentenkleber zu kaufen, weil ich etwas für Weihnachten basteln will.

Nicht, dass ich das schon angefangen hätte.

Als ich nämlich meine Soko erreicht hatte, musste ich mich erstmal parallel mit meinen verschiedenen Liegemöbeln auseinandersetzen, und da klebt es sich schlecht. Außerdem war ich innerlich zutiefst beruhigt, weil nämlich doch Köln kam.

Das heißt, morgen ist doch Mittwoch, wie ich es den ganzen Tag schon befürchtet hatte. Und so werde ich morgen eben doch zur Arbeit gehen.

Nicht, dass mir diese Entwicklung so hundertprozentig zusagt, aber was will man machen?

Wie gewonnen so zerronnen

Das gilt für mein heiliges Wochenende genauso wie für den Platz im Kleiderschrank.

Im Nachgang betrachtet kam mir das Wochenende heute doch sehr kurz vor. Ich weiß auch gar nicht, wer auf den abwegigen Gedanken gekommen ist, dass ein Wochenende pro Woche ausreichend ist. Dennoch musste ich kurz überlegen, wie man das vergangene nur in Worte fassen könnte.

Wahrscheinlich erscheint es mir deshalb so kurz, weil ich am Sonnabend auch recht früh aufstehen musste, denn mein Kind und ich mussten zu meinen älteren Herrschaften reisen, um das Wohnzimmer für die Renovierung auszuräumen. Und ich sagte noch zum Kinde Nicht, dass Oma schon alles fertig hat… Ich wollte mich schließlich ernsthaft betätigen.

Habe vorsichtshalber trotzdem etwas Frühsport gemacht.

Gute Idee, denn als wir ankamen, standen noch drei Teile Couch im Wohnzimmer. Mein Herr Bruder war schon aus lauter Langeweile Pilze sammeln gegangen, und ich hatte endlich den schönen alten Weidenkorb, den ich mir im letzten Jahr zum Transport einiger Kilogramm Gartenpfirsiche geborgt hatte, wieder zurückgegeben. Eigentlich hatte ich ja darauf spekuliert, ihn behalten zu können, weil ich solche alten Weidenkörbe sehr mag, auch eignen sie sich wunderbar dazu, auf meinem Kühlschrank einzustauben, während sie als Ablageort meiner Küchenrollennachschübe dienen. Aber wenn Mutti das Teil zurückhaben will… Was will man machen? Zumal mein Bruder seine gesammelten Werke aus dem Wald darin nach Hause tragen musste.

Ich habe erstmal die Wäsche aufgehängt, um irgendwas zu tun. Und dann ging die große Fresserei los. Kartoffelsalat, Nudelsalat, Bouletten, danach Eis mit Eierlikör. Ein Gang, bei dem mein Vater mich mit großen Augen anguckte und fragte, warum ich gar kein Eis esse.

Weil mir da zu viel Zucker drin ist, vielleicht?

Wieso?

Ach, anderthalb Jahre nach der Diabetesdiagnose habe ich mich daran gewöhnt.

Als ob er noch nie etwas davon gehört hat, dass wir da mit drei Diabetikern am Tisch sitzen. Und als ob er noch nie etwas davon gehört hat, dass man in einem solchen Fall ein wenig an der Ernährung schrauben sollte. Vielleicht muss man das nicht ganz so krass tun wie ich, aber ich bin die Scheiße immerhin fast wieder losgeworden, er nicht. Wundert mich nicht, aber lassen wir das.

Wir mussten auch recht früh weg, weil mein Kind am nächsten Morgen erneut zur Arbeit musste, und zwar sehr, sehr früh. Aber erst nach der nächsten Mahlzeit. Die aus zweierlei Kuchensorten bestand. Mir ist jetzt noch ganz schlecht. Und nächsten Donnerstag hat Mutti Geburtstag und mein Kind frei. Das heißt, wir lassen uns ein weiteres Mal mästen.

Auch muss ich bis dahin die Geschenke fertighaben. Ich hatte ihr nämlich erzählt, dass ich einen Stoff gekauft habe, ohne zu wissen, was ich daraus für sie mache, und dass die Händlerin mir empfohlen hat, einen Leseknochen zu nähen. Ich finde zwar das passt überhaupt nicht zum Muster, aber jetzt will meine Mutter unbedingt einen Leseknochen haben. Es ist Gottseidank ganz einfach, man müsste nur anfangen.

Heute nicht mehr. Heute erhole ich mich.

Wobei der monatliche Spaziergang ins Erpetal mit Nele gestern jetzt nicht so anstrengend war. Was daran lag, dass ich eine Stunde vor dem Losgehen noch einen Kaffee getrunken habe, so dass ich früh zurückmusste, so dass wir den Sonnenuntergang, dessentwegen wir eigentlich aufgebrochen waren, dann doch erst in der Bahn erlebt haben. Aber wir gehen bald wieder. Zur gleichen Zeit. Wenn die Sonne etwas früher untergeht. Mal sehen, was die Natur uns dann zu bieten hat.

Der plötzliche Wunsch, dies gestern zu tun, entstand nämlich nur, weil ich den wunderschönen Sonnenuntergang am Sonnabend auf der Autobahn erlebt habe. Und da dachte ich, ich möchte einfach schöner wohnen. Irgendwo jwd, wo man nicht erst ewig und drei Tage durch Häuserschluchten fliehen muss, um mal einen freien Blick auf die Gegend zu haben.

Aber nach dem Aufwachen wohnte ich immer noch im Idyll meines Stadtbezirks, wo sich die Fahrradfahrer und Fußgänger schon am frühen Morgen belegen und mit gegenseitigen Klagen drohen. Dazwischen wohnt ein Eichhörnchen, was schön ist, aber die Menschen sind um so viel unschöner, dass das kaum auffällt.

Und der Rest des Tages war auch anstrengend genug. Anne ist nicht da. Sie hat wegen eines Schädlingsbefalls in ihrer Wohnung spontan eine Woche Urlaub nehmen müssen. Jetzt will sie alles wegschmeißen. Alle Bücher, alle Dekorationsartikel, nur ihre Möbel nicht.

Mir würde das Herz an dieser Stelle bluten. Habe ich ihr auch mitgeteilt. Als sie mich am Freitagabend um acht anrief, um, wie sie sagte, mal mit einem normalen Menschen zu sprechen.

Und da ruft sie mich an!

Zumindest habe ich das so verstanden. Die Verbindung zu ihr ist nicht durchgehend gut. Weil die eine Wand in ihrem hermetisch abgeschirmten Plattenbau nicht so durchlässig ist wie die andere. Deswegen muss sie immer das Ohr wechseln, damit ich sie besser höre.

Und jetzt ist sie die ganze Woche nicht da. So habe ich also schon zwei Zusatzaufgaben generiert. Also, zu den Sonderaufgaben, die ich selbst in dieser Woche schon habe, dazu.

Ich freu mich!

Wie zum Trost habe ich heute zwei neue T-Shirts bekommen. Also, im Sinne von gekauft. Ich konnte nicht widerstehen. Und ich habe ja gestern einen ganzen Sack aus meinem Kleiderschrank entfernt, um ihn für die nächste Spende vorzubereiten. Es ist regelrecht Platz im Schrank. Nur bei den Röcken ist kein Zentimeterchen Luft hinzugekommen, weil aus dem Fach nur ein einzelnes Teil seinen Weg in den Sack fand, was keinen Einfluss auf die Gesamtmasse zu haben scheint.

Aber was will man machen?

Ich bin offensichtlich eine total rockige Type.

Hauptsache die Möbel sind gesund

Ich sehe traumhaften Zeiten entgegen. In den nächsten zwei Tagen zumindest. Da ist die Klausur eines unserer betriebseigenen Beratungsausschüsse und das Haus leer. So ziemlich jedenfalls.

Einen ersten Vorgeschmack gab es heute, die eine Leitung war nicht da, die andere verließ uns gegen Mittag.

So konnte ich, während ich auf mein Programm wartete, nebenbei ein wenig durch die Angebotsseiten der internationalen Schuhhändler scrollen. Nebenbei versteht sich.

Nur Ruslana fiel negativ auf. Begrüßte die blöde Kuh mich doch gestern mit dem Satz Du chast zugenommen!

Also, abgesehen davon, dass es mich massiv nervt, dass sie alles und jeden auf Äußerlichkeiten reduziert und es bei mir höchstens siebenhundert Gramm waren, weiß ich jetzt nicht, was das für eine Begrüßung sein soll. Ich hatte auch mal eine Freundin, die mich grundsätzlich so begrüßte. Just seit dem Moment, in dem diese zum ersten Mal etwas Gegenteiliges zur Begrüßung festgestellt hat, habe ich sie aus meinen Kontakten gestrichen.

Ach, könnte ich es doch mit Ruslana genauso machen! Ich wüsste zwar nicht mehr, was ich in mein Tagebuch reinschreiben soll, aber mein Nervenkostüm hätte wesentlich weniger Zerreißproben zu bestehen. Aber wie gesagt: Sie fällt in den letzten Tagen und, wie Gesine mir versicherte, Wochen irgendwie dauerhaft negativ auf. Dazu ein noch bitterer Gesichtsausdruck als sowieso schon, fertig ist das Rätsel um ihr Befinden.

Erst, nachdem Anne und Claudia unabhängig voneinander die entscheidende Vermutung äußerten und ich sie näher von der Seite betrachtete, fiel es auf. Die Lippe trotzig nach vorn gestreckt, das Gesicht untenrum merkwürdig verformt, sie hat sich die Lippen aufspritzen lassen. Mehr möchte ich dazu nicht kommentieren.

Und ich hatte nur einen ausladenden Rock mit meinem Wickel-T-Shirt kombiniert, da sieht man eben etwas voluminöser aus. Habe ich heute gleich mit einem freundlichen Schwarz von Kopf bis Fuß und einem besonders schmalen T-Shirt kompensiert.

In meiner Tasche trug ich noch das neulich verschenkte Fitnessarmband, weil ich heute endlich zum Händler gehen wollte, um zu erfragen, was an dem Teil nicht stimmt. Zwar funktioniert es, auch wenn es heute nicht alle Schritte, die meine Tasche tat, gezählt zu haben scheint, aber das lag daran, dass ich gerade ganz besonders stark von meiner Unterart der Schaufensterkrankheit betroffen bin.

Diese Unterart äußert sich darin, dass ich, sehe ich rote Schuhe in einem Schaufenster, stehenbleibe. Was wiederum akut darin begründet liegt, dass ich meine vorhandenen roten Stiefel dehnen wollte. Eine Prozedur, die zu einer Kolonie Blasen im Leder an der linken Schuhspitze führte und zu diversen Wasserrändern in zufälliger Anordnung. Schön. Wie gut, dass ich weder optisch noch vom Wohlbefinden her großartig an diesen Schuhen hänge.

Aber ich wollte sie ja erstmal durchtrocknen lassen. Nach den ersten sechsunddreißig Stunden dieses Vorgangs ist zumindest schonmal eine Verbesserung zu erkennen. Ja, in der Beständigkeit des größten Wasserrandes. Die fliegen weg!

Auch wenn die Hausschuhe mit dem Bild verliebter Katzen mit Herz noch das Beste im Schuhladen waren. Die roten Schuhe hatten zwar eine schöne Art Rot, aber formtechnisch waren sie nicht so das Gelbe vom Ei.

Und eigentlich wollte ich ja nur das Fitnessarmband wegbringen. Jetzt liegt es wieder zu Hause, weil ich das vor der Soko nicht geschafft habe.

Heute habe ich meinen Blutdruck auch nur zweimal damit gemessen. Alles im grünen, unteren Bereich.

Mein Tisch hat die schlechteren Werte.

Ich hatte das Gerät dort abgelegt, es brummte kurze Zeit später auf, hunderteinundzwanzig zu neunundsiebzig.

Diesen Wert unterbiete ich ganz ohne umzukippen.

Und da bin ich jetzt sehr gespannt, was die in dem Laden dazu zu sagen haben.

Wer hat an der Uhr gedreht?

Nein, ich finde nicht, dass es schon wieder irre spät ist.

Sondern: Es kam so: Weil ich der Meinung war, dass gewisse Menschen meines Umfelds dringend noch ein paar Jahre bis Jahrzehnte bei fröhlicher Gesundheit erhalten bleiben sollten, habe ich vor kurzem, um die körperliche Form zu verbessern, ein Fitnessarmband zum Geburtstag verschenkt. Anfangs hat das auch tatsächlich ein wenig Freude bereitet und wurde auch benutzt, aber dann… ging das Teil nicht an, wenn es angehen sollte, zählte einfach nicht weiter oder riss die Vorderhufe hoch, weil nach sehr kurzer Zeit keine Ladung mehr drauf war.

Ich erbarmte mich also dessen und zauberte mit einem Griff den Kassenzettel hervor, um es zu reklamieren. Wollte ich heute gleich nach dem ersten Arbeitstag machen.

Was soll ich sagen? Ich weiß auch gar nicht mehr, warum ich dies tat, wahrscheinlich nur, weil ich auf dem U-Bahnhof heute früh noch drei ansonsten unnutzbare Minuten Zeit hatte, aber ich holte es aus der Tasche. Und allein durch das Tragen in meiner Tasche hatte der Beschenkte schon über siebenhundert Schritte gemacht, ohne es zu merken geschweige denn besondere Anstrengungen zu verspüren.

So, so.

Wie schön. Dachte ich mir.

Und drückte ein wenig darauf herum. Der Vorteil dieses Modells ist nämlich, dass es den Blutdruck relativ genau misst, was nicht jedes Fitnessarmband kann. Da ich mich immer sehr für innere Werte interessiere, wollte ich mal gucken, was es zu meinen Wallungen am Morgen sagt. Ging aber nicht, ich musste es anlegen.

Tja, und so rannte ich den ganzen Tag mit zwei Fitnessarmbändern am Handgelenk herum.

Ich weiß, dass man es auch übertreiben kann.

Aber schön, dass ich den Kassenzettel noch habe. Nur leider kann ich es nicht reklamieren, weil es nicht funktioniert, denn es funktioniert ja. Vielleicht muss man es nur am Morgen richtig wachschaukeln. Was allerdings nicht ganz das Richtige für jemanden ist, der Bewegung nicht unbedingt überbewertet.

Jedenfalls habe ich heute erstmal nichts beanstandet, weil ich des Öfteren in diesen Laden gehen muss und keineswegs als die Frau, die ein vollkommen funktionstüchtiges Gerät reklamiert, angesehen werden möchte. Ich werde das im Laufe der Woche weiter beobachten. Es ist ja hoffentlich bald Freitag, mir zumindest steht sehr der Sinn nach diesem Wochentag.

Auch wenn meine versammelte Geschäftsführung heute versuchte, mich zur Teilnahme an der Firmenfeier am Freitag zu motivieren. Ich muss aber am Sonnabend zu meinen Eltern und das Wohnzimmer ausräumen, da kann ich keine Übernächtigung gebrauchen. Genau das wurde mir nämlich angeraten. Ob ich nicht mal einen Tag etwas weniger ausgeschlafen sein könnte.

Aber sonst geht´s noch.

Das habe ich an fünf Tagen in der Woche. Und zwar in einem Maße, dass das Wochenende mit seinen Ausschlafmöglichkeiten einfach nur heilig ist.

Außerdem hatte ich die Feier sowieso schon wieder vergessen, was mir seit Monaten irgendwie immer wieder passiert, und dafür muss es ja einen Grund geben.

Ich habe da so eine Ahnung.

Aber auch einen sehr schönen Blutdruck.

Zumindest war er bei den sechs Malen, als ich die Uhr an die richtige Stelle gedreht hatte, sehr schön.