Wär ich doch liegengeblieben

Aber nee, dann hätte ich ja die Mülljungs verpasst.

Nachdem sich die Tonnen seit Montag auf meiner Straßenseite gestapelt hatten, während die gegenüberliegende Berücksichtigung fand, war heute endlich die Abfuhr da. Diese Chance musste ich wohl oder über nutzen, weil es sonst in meiner Küche empfindlich voll geworden wäre, und ich will ja heute noch Kuchen backen.

Nur, dass dann erstmal die Mülltonnen weg waren. Aber ich hörte ein Rumpeln, und tatsächlich rollerte just in diesem Augenblick einer von den Müllmenschen durch das scheppernde Hoftor. Der hat mir dann sogar die Klappe gehalten.

Das war es dann aber auch schon mit den positiven Aspekten des Tages.

Zwar hatte ich mir vorgenommen, ausnahmsweise pünktlich zu Arbeit zu erscheinen (vor allem, um pünktlich wieder gehen zu können), aber das ist dieser Tage ein echt hehrer Plan. Es fährt ja nüscht. Und das, was fährt, ist die U sieben, die unter normalen Umständen schon ziemlich verstopft ist, im Moment noch mehr. Und regelmäßiger Fahrplan scheint sowieso ein Fremdwort zu sein.

Das Unheil nahm seinen Lauf zwischen Ankunft und erster Kurzpause. Ich wollte ganz in meinem alten Allmachtsgefühl Geld überweisen. Jedoch… es ging nicht. Der anvisierte Zahlungslauf verhakte sich im System, welches zu mir sprach, dass es eine Differenz im EBICS-Protokoll gibt. Und so habe ich den Tag im Wechsel in zwei Hotlines verbracht. Erst DATEV, dann Bank, dann wieder DATEV und dann wieder Bank.

Es hat sich dabei herausgestellt: Es gibt mich zweimal. Und deshalb gibt es mich nicht mehr.

Interessant. Im Deutschunterricht habe ich das anders gelernt. Nämlich, dass eine doppelte Verneinung ja bedeutet, eine doppelte Bejahung jedoch Leck mich am Arsch. Na gut, das ist Vulgärwissen, aber trotzdem.

Ich habe mich jetzt nach siebzehn Minuten Beratung mit der Bank selbst zurückgesetzt. Eigentlich hätte ich die Beratung nicht gebraucht, aber es war sehr nett mit dem Kollegen von der Hotline. Mit Erfahrungsaustausch, weil ich zwischen 2001 und 2004 auch mal an einer Hotline gesessen habe. Die typischen Sätze von damals hängen mir aber immer noch sehr fest im Ohr. Sowas wie Ich hätte gern mal eine Frage. Oder auch Passen Sie auf!

Ich passe immer auf!

Außer manchmal beim Gebrauch der Wasserwaage. Die habe ich tatsächlich gestern endlich rausgeholt, weil ich ausprobieren wollte, ob mein Akkubohrschrauber die Wand ohne Schlag schafft.

Schafft er.

Sehr gut sogar.

So gut, dass ich am Ende noch die Spachtelmasse aus der Kammer wühlen musste, um das Loch, das etwas zu locker um den Dübel saß, zu verschließen. Das ist jetzt alles sehr schön, und man kann sogar noch an der Schraube drehen. Die saß nämlich etwas zu tief, so dass der Bilderrahmen oben recht straff an der Wand saß, während er unten ebenso straff abstand.

Für den letzten Bilderrahmen fehlt mir ja noch das Motiv. Ich überlege allerdings, dort übergangsweise ein altes Bild einzurahmen. Nur, damit ich sehe, ob die Bilderrahmen wirklich auf einer Höhe sind. Mittlerweile habe ich mein diesbezügliches Talent ja ganz gut erkannt (und akzeptiert). Ich kann mit Wasserwaage, Zollstock und Schneiderlineal (das hat einen rechten Winkel) arbeiten, am Ende muss ich Möbel rücken, weil es eben doch nicht so geklappt hat, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Und seitdem Bild zwei von drei gerahmt ist, finde ich es gar nicht mehr so dramatisch. Aber vielleicht ist das auch besser so, denn man will sich ja entspannen, wenn man zu Hause an die Wand guckt.

Entspannend wäre jetzt auch, wenn ich endlich mal mit meinem Kuchen anfangen könnte. Aber das mache ich erst, wenn das Fitnessarmband vollständig aufgeladen ist, weil ich keine Schritte verschenken will.

Ja, ich gebe es zu, dass ich Opfer eines Sklaventreibers bin, den ich mir selbst und absichtlich angeschafft habe.

Und den Ladevorgang muss man schon bis mindestens 99 Prozent durchziehen, sonst muss ich übermorgen schon wieder aufladen.

Und da habe ich schon wieder was vor.

Ein ganz neues Problem

Ich habe heute bis kurz vor elf geschlafen.

Das heißt, ich ließ zwar den Wecker klingeln und stand auch auf, aber als ich das erste Mal vom Balkon runter war, legte ich mich wieder hin. Dazwischen schrieb ich noch eine Krankmeldung ins Büro. Weil ich mich ziemlich mies fühlte und nicht so richtig wusste, was das werden soll. Und weil ich Gesine nicht anstecken wollte, weil die nächste Woche in den Skiurlaub fahren will. Da hat sie bestimmt eigene Chancen, sich mit irgendeinem Virus zu versorgen. Da braucht sie nicht unbedingt mich.

Und jetzt weiß ich leider nicht, wie ich in dieser Nacht in den Schlaf finden soll.

Wahrscheinlich werde ich ohnehin nur von meinen untypischen Waden träumen. Ja, okay, das sind natürlich alles Muskeln, auf die ich sehr stolz bin, weil ich mir jede Faser davon erarbeitet habe, aber in selbstgenähte Leggings passen sie halt nicht rein, ohne das Muster zu verzerren. In handelsübliche allerdings sehr wohl. Das wird sich mir nie erschließen, also arbeite ich am Schnittmuster. Modell Nummer zwei hat noch eine Beule, aber die denke ich zu beheben.

Und morgen gehe ich auch wieder in mein Irrenhaus. Nach eingehender Betrachtung meiner aktuellen Erkrankung habe ich nämlich festgestellt, dass es gar keine ist. Und ansteckend bin ich schon gar nicht.

Es sei denn, Müdigkeit steckt an. Wobei es hier auch Studien gibt. Wenn einer anfängt zu gähnen, machen alle anderen gleich mit. Um es mal etwas volkstümlich zusammenzufassen.

Vielleicht bin ich auch gar nicht so erschöpft, wie ich immer denke, sondern Gesines Dauergähnen steckt mich einfach an. Am Nachmittag, wenn sie längst im Feierabend ist, erlebe ich zum Beispiel meine effektive Phase. Da schaffe ich immer alles, was ich am Vormittag vor mir herschiebe. Kann auch sein, dass der Feierabend frohlockt, den ich doch so gerne mag.

Auch wenn mir zuweilen selbst die Lust daran vergeht. Seit zehn Tagen schreibe ich zum Beispiel an einem kurzen Text über mich. Jetzt ist er zwar fertig, ich habe jedoch ein winziges Detail vergessen. Das vielleicht ganz wichtig gewesen wäre. Und das mir nach dem Absenden auf- und eingefallen ist.

Na ja, irgendeinen Grund muss es ja haben, dass ich krankgemeldet bin. Eine gewisse Unzurechnungsfähigkeit kann ich gerne bestätigen. Wenn es sein muss, schriftlich.

Dazu diverse Gedächtnislücken. So habe ich heute zwar an den Abwasch gedacht, aber dass ich seit über achtundvierzig Stunden Löcher in Wände bohren will, habe ich schon wieder verdrängt.

Ideal wäre ja, wenn ich das bis einschließlich Donnerstag schaffen würde, denn am Freitag erwarte ich eine alte Freundin zur Besichtigung meiner Renovierungsarbeiten. Kaffee und Kuchen gibt´s auch dazu.

Das weiß ich schon.

Nur, was ich immer noch nicht weiß, ist, wie ich heute Abend am besten einschlafe.

Der Gedanke stresst mich sehr. So sehr, dass ich mich wahrscheinlich vor lauter Vorfreude auf morgen die ganze Nacht hin und her wälzen werde.

Sehr pessimistisch.

Ob es über den Ansteckungsfaktor von Pessimismus wohl auch Studien gibt?

Eigentlich wollte ich ja überhaupt nicht hingehen

Erstmal nicht so richtig zur Arbeit. Weil wir aktuell keine Kaffeemaschine haben. Auch das Kaffeepulver für die Aufgussvariante schmeckt eher nach Staub. Und allzu frisch habe ich mich am Morgen auch nicht gefühlt. Das sind ja schon zwei Gründe zu viel. Wofür oder wogegen auch immer. Ich kriege das von der Logik her jetzt nicht mehr so formuliert, dass es noch elegant klingt. Und vor allem richtig.

So ist das ja immer mit mir am Montag. Keine Lust, völlig erledigt, und Sprechzeiten habe ich heute auch nicht mehr.

Neuen Stoff im Internet angucken könnte ich jetzt. Oder die Nähmaschine reinigen, sie hat bei der gerade abgeschlossenen Arbeit an meinem neuesten Couchkissen deutlich gerattert, was sie nicht tut, wenn sie sauber und geölt ist.

Trotzdem wird es langsam eng auf der Couch. Na gut, wenn ich keinen Platz mehr habe, dann werfe ich die ganzen Kissen einfach mit sehr viel Schwung auf den Sessel. Auf dem ich so selten sitze, dass ich zwischenzeitlich schon überlegt hatte, den Sessel zurückzugeben und Platz für dringender benötigte Möbelstücke zu schaffen. Was ich spätestens, wenn hier mal zwei Leute gleichzeitig zu Besuch kommen, bereuen würde. Deshalb habe ich davon wieder Abstand genommen. Und ich brauche ja auch eine Ablagefläche für die ganzen Kissen.

Löcher habe ich hingegen immer noch nicht gebohrt. Auch der Abwasch grinste mich gerade in der Küche sehr ausgewachsen an.

Vielleicht sollte ich also auch diesen Raum auf die Liste der Orte aufnehmen, wo ich eigentlich überhaupt nicht hinwollte.

Ich werde diesen guten Vorsatz früher oder später brechen. Rein zufällig wahrscheinlich. So, wie ich heute nur rein zufällig im Büro war. Weil ich zufällig fast pünktlich angezogen und bereit war, das Haus zu verlassen. Und weil Bahnfahren in Berlin im Moment so gar keinen Spaß macht, weil nämlich nichts fährt und weil das, was noch fährt, von Fahrzeugschäden überschattet wird, die dem morgendlichen oder auch abendlichen Berufsverkehr einen ungewollten Gnadenstoß versetzen, habe ich mich bei meiner Ankunft auch noch über diese gefreut.

Wie gesagt: reiner Zufall.

So, wie ich zufällig demnächst zu einem Konzert gehe, zu dem ich eigentlich gar nicht unbedingt gehen wollte. Ich habe lediglich gesagt Ach, der spielt bald in meiner Nähe. Und jetzt bin ich verabredet und soll schonmal Karten reservieren.

Eine derartige Reaktion aus meinem Umfeld wäre mir bei der Ankündigung, dass ich dringend bald in den Harz will, um den Brocken im Abendlicht für meine Wand zu fotografieren, irgendwie lieber gewesen, doch diese verhallte. Wie so viele Ansagen, die man tätigt, einfach innerhalb der selektiven Wahrnehmung verhallen.

Nennen wir das mal so.

Jimi zerrt ein wenig an den Waden

Na gut, wird es halt eine Capri.

Früher hat bei Jimi ja nur die Gitarre gezerrt. War bestimmt kaputt. Aber dann hat er sie ja angezündet.

Wie auch Außenstehende bestimmt unschwer erkennen können, habe ich heute genäht.

Meine erste Leggings. Die beim ersten Anprobieren dann doch zeigte, dass ich meine strammen Waden etwas unterschätzt habe, so dass sowohl die Jimi-Hendrix-Köpfe als auch die Gitarren unterhalb meines Knies etwas breiter und heller erschienen als oberhalb.

Aber ich musste den Stoff ja haben. Und weil ich definitiv genug, wenn nicht gar zu viele, Röcke habe, bin ich jetzt in der Lage, mit Stolz verkünden zu können, dass ich meine erste Leggings genäht habe. Überraschend einfach, wenn man erst die Bedienungsanleitung aus dem Nähbuch verinnerlicht hat.

Da fiel mir der Mittagsschlaf fast schwerer. Ich war nämlich recht zeitig aufgestanden und ein bisschen groggy nach den zehn Kilometern mit Nele durchs Erpetal. Das lag aber am Tal und daran, dass der Rückweg auf der anderen Seite des Flusses für unautorisierte Fußgänger gesperrt war.

Und wir sind jetzt beide gespannt, in welchem Jahr wir es schaffen, in allen zwölf Monaten einmal hinzugehen, damit wir uns ein neues Ziel aussuchen können. Ansonsten finde ich dieses Projekt echt super. Sogar ohne Fotolicht wie heute.

Da fällt mir auch ein, dass ich eigentlich ein paar Löcher in die Wand schlagen wollte, um meine Bilderrahmen aufzuhängen. Glatt über dem Mittagsschlaf vergessen.

Ich war auch ganz tief weg. Befand mich zu Hause, meine Mutter hatte vergessen, mir zum Geburtstag zu gratulieren, und ich wachte im Traum im Mädchenschlafzimmer des Elternhauses meiner Mutter auf. Ein Arm lag unter meinem Kopf. Da hatte sich ein nicht mehr ganz so junger Herr an meiner Mutter vorbeigeschlichen und küsste mich nun zum Geburtstag wach.

Nach Hause gelaufen bin ich dann aber von Lütkendorf über Neukölln alleine. Der Weg ist Blödsinn, Lütkendorf liegt in ungefähr komplett entgegengesetzter Richtung.

Ein Schäfer trieb seine Herde über den Fahrdamm. Er hatte nur drei Schafe, die er nun mithilfe von fünf Hunden über den Asphalt schickte.

In diesem Moment störte der Wecker. Den ich gestellt hatte, weil ich auch mit zehn Kilometern Vorsprung am Morgen noch stündlich zweihundertfünfzig Mindestschritte machen muss. Dabei war ich gar nicht so richtig motiviert, mich überhaupt nochmal hinzulegen. Schließlich hatte ich geradeso ausreichend und ziemlich gut geschlafen, aber der Marsch am Morgen hat meine körperlichen Ressourcen doch etwas dezimiert.

Trotzdem: Das könnte ich glatt einmal im Monat machen.

Solange ich dabei nicht an den Waden abnehme, und mich dann ärgere, dass ich die Jimi-Hendrix-Leggings zur Capri gekürzt habe, was vom Muster her aus meiner Blickrichtung suboptimal ist, aber dem äußeren Betrachter wahrscheinlich gar nicht auffällt.

Rein äußerlich also ein ganz normaler Sonntag.

Und solange nicht angesichts der Hose immer dieselben Gedanken wie beim Nähen hochkommen, ist ja alles gut.

Auch wenn es vielleicht nicht so gut ist, sich beim Nähen über narzisstische Persönlichkeitsstörungen aufzuregen.

Eine super Idee!

Bei dem Wetter Passepartouts quer durch Berlin zu transportieren.

Ich habe aber noch überlegt, wie sinnvoll das überhaupt ist. Schneeregen, und die Luft hatte es eigentlich ein wenig zu eilig für den gelungenen Transport größerer Pappstücke. Aber dann war ich auf dem Weg, und irgendwie wollte ich den Nachmittag auch rumkriegen.

Was mir, wie ich mit Blick auf die Uhr bestätigen kann, auch gelungen ist.

Maßgebliche Anteile am Rumkriegen hatten meine Kurzsichtigkeit und meine Unerfahrenheit, was den Weg zu Boesner angeht. In gut sechsundzwanzig Jahren Berlin mit sehr vielen kreativen Ideen war ich noch nie bei Boesner.

Aber da gibt es auch keinen Serviettenlack. Also kein Wunder.

Jedenfalls hätte ich fast den Laden nicht gefunden. In meinem Gehirn hatte ich die Hausnummer sechzehn abgespeichert. Die auch stimmte, aber ich habe sie nicht gesehen. Zwar bewunderte ich den Edeka auf der Höhe, aber Boesner?

Ja, wo isser denn? Dachte ich, als ich auf der Höhe von Hausnummer zehn bemerkte, dass ich irgendwas übersehen haben muss.

Na gut, wenn nicht, dann soll das wohl so sein, und dann fahre ich eben zu Obi.

Ich war nämlich bestimmt schon zehn Tage in keinem Baumarkt. Außerdem habe ich meine Mühlenbeckia totgepflegt. Ich dachte immer, so ein drahtiges Gewächs braucht nicht viel Wasser, aber im Internet stand dann, doch, sie ist ein kleiner Säufer. Auf der Seite von Obi stand wiederum mäßig gießen.

Diese Angaben liebe ich ja. Was heißt denn mäßig? Zweimal die Woche etwas, dreimal die Woche etwas mehr oder einmal die Woche ein Schnapsglas? Nee, das waren Orchideen.

Jedenfalls ist meine Mühlenbeckia, obwohl sie dauerhaft in meinem Blickfeld steht, irgendwie zu einem braunen Gestell verkommen. Als wäre sie wirklich aus Draht. Nachdem ich meine Rettungsaktion begonnen hatte, wurde es nur schlimmer, und ich glaube, ich werde ihr den Gnadenstoß versetzen.

Leider habe ich den Künstlerbedarf dann doch noch auf einem Hinterhof erblickt. Also, keine neue Pflanze. Und kein Fototransferlack. Den haben sie nämlich bei Obi an der Ostseestraße. Und da war ich heute schon in der Nähe.

Als ich aus dem Künstlerbedarf hinaustrat, musste ich aber erstmal so viel mit dem Segel in meiner Hand üben, dass an Baumarkt wirklich nicht mehr zu denken war. An jeder Straßenecke musste man Windrichtung und -geschwindigkeit neu berechnen, um das Paket mit den Passepartouts so zu halten, dass sie genau im Wind hängen und nicht knicken. Dazu der Regen. Ich habe mich sehr gefreut. Und sowohl die Ankunft meiner drei Passepartouts als auch die meine arg infrage gestellt.

Aber ich habe es geschafft, trotz Ringbahn. Die Passepartouts sind auch angekommen, alles, was ich hatte, ist gerahmt, jetzt nur noch die drei Löcher bohren.

Und vor allem brauche ich noch das Bild zwischen Sonnenuntergang und Apfelbaum. Aber ich fahre ja morgen früh ins Erpetal.

Wobei ich das ständig mache, es kommen aber nicht unbedingt immer die Bilder für die Wand dabei heraus.

Seit zwei Jahren.

Eigentlich wollten Nele und ich ein Jahr lang jeden Monat einmal in den sehr frühen Morgenstunden hinfahren. Aber weil wir das noch kein einziges Mal zwölf Monate lang an einem Stück geschafft haben, fangen wir eben jedes Jahr von vorne an. Ist ja sehr schön da. Also, bis auf, dass ich immer noch nicht DAS Foto für über der Couch zusammengekriegt habe. Könnte daran liegen, dass ich zuweilen auch den Fotoapparat zu Hause lasse. Und mein Handy ist mit seiner Fotoqualität leider etwas unter meiner Würde. Auch wenn die digitalen Abzüge, die ich bislang bekommen habe, auch nicht die Fotoqualität bieten.

Aber nun ja, ein Diafilm kostet heutzutage schon fünfzig Euro allein in der Anschaffung des Materials, und nach der Entwicklung muss man dann auch noch selbst rahmen, auch lassen sich digitale Fotos irgendwie leichter löschen, also gehe ich den Weg, auch wenn ich sehr lange gebraucht habe, um mich davon überzeugen zu lassen.

Das heißt: überzeugt bin ich nicht, aber es ist der Weg des geringsten Übels.

Schon schlimm, dass man so leben muss.

Es hätte mir nämlich auch gereicht, dass mir das auf Arbeit schon oft genug so geht.

Aber wir sind hier nicht auf dem Ponyhof, und das ganze Leben besteht ja mehr oder weniger aus Arschbackenzusammenkneifen.

Bloß nichts ins Tagebuch schreiben!

Denn, was auch immer ich schreibe, ist dann morgen gleich nicht mehr wahr.

Habe ich mich letztens so über unser zahmer werdendes Eichhörnchen gefreut, das ich nach Abschluss der Gewöhnungsphase abzulichten dachte, kommt es nicht mehr. Wir haben uns echt Sorgen gemacht, Gesine und ich. Aber Suse, unsere neue Sekretärin konnte uns mit dem Fachwissen, dass es dem Eichhörnchen wohl schlichtweg zu kalt ist und es in die Winterruhe gegangen ist, beruhigen.

Richtig. Heute früh war mein kleiner Freund wieder da. Hatte wohl einen verstärkten Appetit. Sah mich, erkannte die Futterquelle in mir, sprang freudig erregt auf mich zu, ich war ebenso freudig und reichte Rationen heraus, bevor ich mich vorsichtig mit dem Handy näherte. Paul blickte mir hingebungsvoll über die Schulter.

Dann kam unsere Leitung.

Ist was kaputt? Fragte sie ob unserer Habachtstellung hinter dem Fensterflügel an.

Nö, wir haben nur Besuch. Aber gleich jetzt machen wir weiter.

Schließlich wollte sie ja geklärt haben, warum auf der Kostenstelle xy nichts gebucht ist. Von Claudia und mir. Ich mache da gar nichts, weil das nicht in den Bereich Rechnungsstellung gehört, sondern in die Zuwendungsabrechnung, wo der Kollege Moritz aus der Lohnbuchhaltung zuständig ist. Claudia hat dann die Email der Leitung gefunden, dass das alles auf die Kostenstelle ao geht. Hatte sie vergessen. Und dann nichts mehr im Controlling gesehen. So ist, das, wenn man nicht weiß, wo man gucken soll. Und wenn sowieso alles zerschossen ist, weil fragliche Ausgaben jetzt alle auf das Konto Sonderbudget gebucht werden sollen.

Das es nicht gibt.

Weshalb Claudia jetzt alle Ausgaben, die darüber getätigt werden, knallhart versteuern lässt. Das wird noch richtig spaßig bei uns.

Aber ich habe Wochenende. Das Eichhörnchen hat ein paar Nüsse auf dem Fensterbrett, und ich war zum Auftakt heute mit Katja in Schöneberg unterwegs.

Weil ich seit letztem Juli einen Gutschein für ein Stoffgeschäft hatte. Obwohl ich definitiv keinen Stoff brauche.

Also, abgesehen davon, dass mein Herz schon bei der Internetrecherche, die ich vorab zu diesem Laden betrieben hatte, spontan entflammte. Jetzt muss ich eine Leggings nähen. Weil ich schon so viele Röcke habe. Mein erstes Mal, aber ich stelle mir das jetzt auch nicht so schwer vor. Und ich wasche auch schon…

Keine Ahnung, wann ich das noch machen will, zumal ich zwei Kubikmeter Stoff im Haus habe, von dem ich heute wieder ein paar Reste entsorgt habe. Käme jetzt aber Katja, um mir wieder beim Ausräumen des Stoffschranks zu helfen, würde sie keinen Unterschied zum letzten Ausräumen feststellen können. Zumindest nicht quantitativ.

Und ich schreibe jetzt extra nicht, dass ich ab dem nächsten Wochenende an drei Stück in Folge keine Termine habe, sonst wird das wieder nichts. Zumal ich mich noch emotional von einer alten Leggings trennen muss. Erstens will ich ja immer mindestens ein altes Teil rausschmeißen, wenn ein neues kommt, zweitens brauche ich eine Vorlage.

Aber welche, um Gottes Willen, soll denn nun weichen? Doch nicht die zerschlissene Totenkopfleggings. Eine von den tausend schwarzen auch nicht, die kann man immer brauchen, und die Bananenleggings wohl auch eher nicht. Eine schwere Entscheidung.

Dabei ist der Stoff noch nicht mal gespült.

Überhaupt siehts hier schon wieder aus! Auf meiner Baustelle herrschte hingegen stets Ordnung.

Aber jetzt… auf dem Regal in der Ecke liegt ein großes Foto für über der Couch, das ich eventuell nochmal digital bearbeiten und neu abziehen lassen muss, vor dem Schrank liegt das Bild für über dem Sessel, das dritte Motiv dazu habe ich noch nicht fotografiert, und dazwischen Bilderrahmen.

Hier muss ich allerdings eingestehen, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich habe die alten Bilderrahmen entsorgt. Inklusive Passepartout.

Die neuen Rahmen haben keine.

Und ohne siehts nachher aus wie gewollt und nicht gekonnt.

Also, morgen gebe ich nochmal Geld für meine Wandgestaltung aus. Yeah!

Aber dafür habe ich ja heute kaum private Gelder ausgegeben. Nur Bestellungen für eine Vereinsveranstaltung getätigt. Hotelzimmer, teilweise mit Haustier, Restauranttische und was man eben so für hungrige Künstler braucht.

Und jetzt habe ich aber wirklich Feierabend.

Mit Dinnercancelling!

Also, zumindest ohne Kochen.

In Wahrheit habe ich natürlich was aus den Schränken genascht.

Etliches, um genau zu sein.

Aber das stört erstmal nur die Waage.

Dann mich.

Außerdem müssen auch noch die letzten Weihnachtskekse weg.

Und eigentlich wollte ich schon lange mal wieder was schreiben

Aber man kommt ja nicht dazu.

Außerdem habe ich ein Schleudertrauma von der Arbeit. Weil ich nicht aus dem Kopfschütteln herauskomme. Aber das ist ja nichts Neues und tut heute auch überhaupt nichts zur Sache.

Nur früh, zwischen neun Uhr und spätestens halb zehn, weiß ich noch, warum ich hingegangen bin. Da kommt immer eins der zwei Eichhörnchen, die sich im Efeu des Hinterhauses häuslich niedergelassen haben, vorbei.

Es kann sehr überzeugend in unser Fenster gucken.

So überzeugend, dass ich letztens dem kapitalistischen Einzelhandel eine Tüte Haselnüsse entrissen habe, um sie stückchenweise auf dem Fensterbrett zu drapieren.

Habe ich ganz glücklich Gesine erzählt.

Sie war zeitgleich ebenfalls einkaufen und hat dabei eine Tüte Walnüsse gefunden. Und so starten wir die Tage mit Naturerlebnissen in der Innenstadt. Das beugt nämlich Stress vor. Zumindest, solange es nicht ins Geld geht. Dann denke ich wahrscheinlich wieder daran, welche Schildbürgereien ich ertragen muss, um an genau dieses Geld zu kommen, und dann weiß ich jetzt gerade nicht, ob das noch so eine gelungene Prophylaxe ist.

Aber das Eichhörnchen ist natürlich wahnsinnig niedlich. Es schleicht sich von der Seite an, schiebt gaaaaanz vorsichtig seinen Kopf um die Mauerecke, guckt. Und dann wartet es ab.

Also, wir funktionieren an der Stelle schonmal ganz gut.

Wenn es niedlich guckt, was es ja schon per se tut, kriegt es seine Nuss.

Jetzt üben wir nur noch das Stillsitzen, bis Frau Flora die Kamera gerichtet hat. Ich habe schon über die Anschaffung eines Drahtauslösers nachgedacht, dann könnte ich die große Kamera nehmen, aufs Stativ stellen und gaaaaaanz unauffällig in Reihe auslösen, bis das Tier scharf ist, auch wenn ich das natürlich am Ende als Pausenzeit nacharbeiten müsste.

Wie man die Belichtungszeit runterschraubt, habe ich bei der Gelegenheit auch schon erlernt.

Und dann die Einstellung nicht mehr weggekriegt, so dass die ersten Bilder im botanischen Garten, wo ich am vergangenen Wochenende mit Katja durchs Gewächshaus gesprungen bin, erstmal schwarz und irgendwie nicht zufriedenstellend waren. Aber wir haben es geschafft, jede noch so kleine Blüte abzulichten. Und die letzten Weihnachtsgeschenke haben wir dabei auch gleich ausgetauscht.

Jetzt ist also Weihnachten 2022 überstanden. Es war etwas anders als die vorangegangenen fünfundvierzig. Mein Kind war zu Besuch und bevölkerte meine Couch, was sehr schön war. Aber wie sagte meine Mutter kürzlich zu mir? Es ist schön, wenn die Kinder zu Besuch kommen, aber es ist auch schön, wenn sie wieder abfahren. (Danke, Mutti – auch wenn ich es gar nicht mal so unähnlich sehe.)

Wobei diese Einstellung vielleicht gar nicht in der Familienhistorie zu suchen/ finden ist, sondern vielmehr darin, dass ich im Zeitrahmen dieses Besuchs einen Heul- und Schreikrampf bei Edeka durchlebt habe.

Direkt vorm Klopapierregal.

Fünf Euro für zehn Tage (mit Kind) oder fünf Wochen (ohne Kind). Und dann waren auch noch mindestens zwei Rollen vom Montag in der Verpackung. Da hatte der offensichtlich verkaterte Klopapierperforierer vergessen, dass ich die Blätter gerne gerade an einem Stück abreiße und nicht erst Kraftanstrengungen unternehmen möchte, um eine angemessene Dosis Papier von der Rolle zu entnehmen.

Wobei… ob das nun gerade ist oder nicht, ist völlig irrelevant, es ist ja eh für den Arsch.

Aber es sieht halt nicht so schön aus, wenn da lauter schiefe Fetzen im Badezimmer herumhängen.

Andererseits ist hier sowieso alles schief. So schief, dass man es glatt zur Kunstform erheben könnte. Also, ich habe es einfach zur Kunstform erhoben, und es war natürlich überhaupt kein Versehen, dass mein letztes Bastelprojekt so asymmetrisch geraten ist.

Ich habe ein Sparschwein gefertigt.

Ein Sparschwein, das Ergebnis einer kleinen Kausalkette ist, die Anfang November in Plauen im Vogtland ihren Anfang fand. Da habe ich nämlich einen wunderschönen Couchkissenbezug bei Depot entdeckt. Er biss sich zwar farblich absolut mit dem mitgeführten Teppichrest, aber das Kissen liegt ja auf der Couch. Von der ich keine Stoffprobe mitführen kann, weil der Bezug jetzt erstmal draufbleibt. Auch abschneiden möchte ich nichts, und Reste wie vom Teppich habe ich davon natürlich auch nicht, denn ich habe es tatsächlich über mich gebracht, bei meiner Couch mal etwas zu kaufen, das fertig war. Obschon ich natürlich zugeben muss, dass ich sehr wohl darüber nachgedacht habe, mir eine Couch selbst zu bauen. Was den Vorteil böte, dass diese nicht versehentlich zu blau gewesen wäre, was meine reelle Couch nämlich ist. Aber irgendwann wasche ich bestimmt die Bezüge, und bis dahin kann ich mir ja immer noch überlegen, ob ich dem Waschwasser eine gehörige Portion der Textilfarbe Samtschwarz beimenge. Und zur Couch passt das Kissen übrigens sehr gut.

Aber zurück zum Schwein. Bei Depot in Plauen gab es ein Kissen. Leider das letzte und das war in der Deko verschweißt. Und man weiß ja auch nie, wie viele mehr oder wenige hygienisch gereinigte Hände es schon im Vorfeld berührt hatten. In Berlin gab es das Teil nicht. Viermal nicht. So oft habe ich geguckt. Nebenbei erhebliche Teile meines Kontostands an Depot gespendet. Ohne Quittung. Ist ja auch kein Verein, sondern kapitalistischer Einzelhandel.

Und dann war ich in Hoyerswerda. Lars, der Herr P. und ich liefen durch das Lausitzcenter auf der Suche nach dem Rauchwarenfachgeschäft. An der Depotfiliale konnte ich in Hinblick auf das Kissen allerdings dann trotzdem nicht vorbeigehen. Und ich war immerhin schneller als die beiden Herren.

Der Kollege P. stand mit strahlenden Kinderaugen vor dem Maxisparschwein. Ja, okay, kann man kaufen. Muss man aber nicht.

Mach doch eins selber. Riet ich.

Na, wie denn?

Na, ganz einfach. Luftballon aufblasen, Papiermaché drauf und fast fertig.

Die strahlenden Kinderaugen hatten zu diesem Zeitpunkt in einen stark fragenden Ausdruck angenommen.

Und dann hörte ich mich sagen Soll ich das machen?

Und so kam ich zu dieser Erweiterung des Portfolios meiner Hobbys. Das Schwein ist aber sehr schön geworden. Etwas schief, wie ein natürlich gewachsener Weihnachtsbaum es beispielsweise auch ist, aber auch mit sehr viel Liebe gebaut. Und bemalt.

Obwohl das mit den Luftballons im Vorfeld ja nun gar nicht geklappt hat. Ich hatte welche gekauft. Die klammerte ich an der Küchenkammertürpinnwand an, um sie zeitnah zu verwenden. Und als ich mich endlich dazu motiviert hatte, einen Ballon aufzublasen, waren sie weg.

Was habe ich da gesucht! Einen ganzen Abend durch die ganze Wohnung, alle Schränke auf, inklusive Kühlschrank, die Luftballons waren weg. Wahrscheinlich schwächelte just in dem Augenblick, in dem der volle Müllsack vor der Küchenkammertür stand die Klammer und die Tüte mit den Ballons fand einen versehentlichen Weg zur örtlichen Abfallwirtschaft. Dachte ich mir. Ich habe mich dann entschieden, ein neues Paket zu kaufen. Wenn man ein Schwein verspricht, muss man sich schon daran halten.

Natürlich hätte ich auch die Kammertür einmal öffnen können. Habe ich aber nicht. Und so habe ich erst eine Einkaufsrunde zu spät erfahren, dass ich die Luftballons beim Aufräumen einfach nur an den Haken auf der Küchenkammertürinnenseite gehängt hatte, damit diese eben nicht versehentlich herunterfallen und verschwinden. Und so bin ich zu einem Bestand von fünfzehn Luftballons in diesem Haushalt gekommen, obwohl ich gar keine Luftballons mag, weil die im Kindergarten nämlich immer wettkampfmäßig zum Platzen gebracht wurden. Und so ein Kindergehirn konditioniert ja recht schnell.

Also, falls jemand ein Sparschwein braucht…

Inzwischen habe ich das kürzlich fertiggestellte abtransportiert. In Einzelfracht. Und den Schwanz habe ich auch erst vor Ort angeklebt, damit er im Flixbus nicht abfällt. Hätte ich vielleicht nicht einmal machen müssen, das Montageklebeband hält und hält und hält.

Und wir hatten gestern direkt neben dem Schwein eine rauschende Ballnacht.

Also, die Form mit Rock´n´Roll natürlich.

Und ohne Dresscode.

Glaube ich.

Ich habe mir einfach etwas angezogen. Mit Unterrock, damit nichts rutscht. Beim Tanzen war es mir auch fast egal, dass der Unterrock zuweilen unter dem Rock vorguckte. War ja dunkel. Und alles mehr oder weniger Ton in Ton in einem freundlichen Schwarz.

Macht ja schlank. Und ich halte mich ja nicht so sklavisch an mein Ernährungskonzept, um dann im teintschmeichelnden Rosé wieder dick auszusehen.

Außerdem passte ich so farblich etwas besser zum Schwein.

Man muss seine Farbkonzepte schon durchziehen.

Und wenn es auch nur die totale Abwesenheit von Licht beinhaltet.