Vielleicht geht das ja mit Penicillin wieder weg

Irgendwie ist mir heute kalt.

Liegt es eventuell an den Außentemperaturen?

Ich meine, so ein gefühlter Temperatursturz um zwanzig Grad kann einen schon mal das Frieren lehren.

Vielleicht habe ich mich auch einfach nur stilistisch fehlleiten lassen. Denn zum lila Rock wollte ich keine lila Jacke anziehen. Nicht, dass ich kein Lila mag, aber die beiden Farbtöne sind so unterschiedlich, dass sie sich direkt auf meinem Körper gebissen hätten. Also musste eine schwarze Jacke herhalten, die jedoch eindeutig nicht jahreszeittauglich war.

Beziehungsweise wäre sie es vor ein paar Tagen noch gewesen, aber heute eben nicht mehr. Und so verließ ich am Morgen das Haus. Der kalte Wind von vorne war so dominant, dass ich hinten gleich gar nichts mehr merkte. Erst als mir eine fremde Frau, nachdem ich bereits eine gute Viertelstunde unterwegs war, von hinten auf die Schulter tippte, da merkte ich dann was.

Ja, dass mein Rock die ganze Zeit in der Strumpfhose an meiner Kehrseite eingeklemmt war. Und man weiß, wo die Strumpfhose gemeinhin ihre letzte und einzige Öffnung hat.

Schön, dass vorher niemand was gesagt hat. Und schön, dass meine Strumpfhose wenigstens blickdicht war. Noch schöner, dass ich die Frau wahrscheinlich nie wieder treffen beziehungsweise wiedererkennen werde. Sowas von peinlich.

Aber ich bin dankbar, dass ich das Malheur noch vor meinem Eintreffen bei der heutigen Betriebsratssitzung bewältigen konnte. Wäre ja nicht auszudenken gewesen, wenn ich da so aufgekreuzt werde. Wobei sowas ja in den besten Familien vorkommen soll.

Na, ich habe es mittlerweile überwunden. Gibt ja auch schlimmeres. Ja, täglich in ein Irrenhaus zu gehen, das sich selbst als den besten Arbeitsplatz der Welt ansieht. Völlig unreflektiert! Lange habe ich daran geglaubt, dann lange daran festgehalten, aber, nein, mein Arbeitsplatz ist ganz sicher nicht der beste der Welt.

Obwohl ich eine der drei Auserkorenen bin, die eine neue Lampe zu Testzwecken erhalten haben. Seitdem geht zwar mein Scanner nicht mehr, und auch der Drucker spinnt, aber wenigstens sitze ich in diesen dunklen Stunden im Licht. Das ist so tageslichtartig, dass der Sascha mein Büro nur noch mit Sonnenbrille auf der Nase betritt.

Auch gut, er ist eh nicht mein Typ, da muss ich auch die Augen nicht unbedingt sehen.

Ruslana habe ich heute auch kaum in die Augen geguckt. Aber die habe ich nur ganz kurz gesehen, weil sie früh weg musste, weil sie mit ihrem Sohn zum Arzt musste. Freitag ist sie früher gegangen, weil beide Kinder beim Friseur vorbestellt waren.

Heute war sie aber wieder wohlauf und unkte fröhlich durch den Flurfunk hindurch. Es ist nämlich so, dass unsere Oberleitung im Frühling im Rahmen eines Langzeitfluges aufgehört hat zu rauchen. Und wie der Teufel es so wollte, hat sie direkt all die Kalorien, die dieses Hobby verbraucht, um ihre Hüften herum angesammelt.

Kann ja jedem mal passieren. Ich selbst habe vor kurzem ja auch Bilder von mir gesehen, die ich der Welt lieber verschweige. Da sehe ich heute doch wesentlich passabler aus (sowas  in der Richtung hat gestern sogar meine Tante von sich gegeben, die mich sonst auch gern mal mit der Anmerkung, dass ich meinen Brotkorb wohl mal etwas höher hängen sollte, begrüßt hat – die Tante trägt eine stattliche Sechsundvierzig, ich nicht).

Jedenfalls kennt die liebe Ruslana für solch einen Körperfüllungsaufbau nur einen Grund. Natürlich. Allein von diesem Anblick hat sie diagnostiziert, dass unsere Leitung ein kleines Bisschen schwanger ist. Klar! Ganz bestimmt. Ich glaube nicht daran.

Und doch konnte ich mich heute kaum bremsen, das kleine Bäuchlein immer wieder zu bestaunen. So, wie das aussieht, kann ich das Ergebnis von Ruslanas optischer Untersuchung aber auch wirklich nachvollziehen.

Flugs haben wir eine neue Bürowette ins Leben gerufen. Wir sind schon sehr neugierig auf den neuen Erdenbürger. Nur Renate glaubt nicht daran. Die denkt ernsthaft, die Karriere wäre der Frau wichtiger. Ich weiß, dass es eigentlich so ist, werde aber trotzdem nicht fertig damit, die Rundung nun meinerseits mit einem Röntgenblick zu prüfen. Ich hoffe nur, das Kind nimmt dadurch keinen Schaden.

Icke wieder! Altruistisch bis zum Erbrechen, und stellenweise bin ich schlimmer als Ruslana.

Und da wünschte ich mir, dass man mich noch irgendwie behandeln kann.

Vielleicht geht das ja mit Penicillin wieder weg.

Vielleicht auch nicht.

Vielleicht ist das gar nicht so schlimm.

Man muss ja sein Gehirn auch irgendwie vor der Umwelt schützen.

Und was ist da besser als ein bisschen Regression?

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