Wer wirft so spät nach Mitternacht noch Käse in den Fahrstuhlschacht?

So tönt es aus der Heimat. Dabei haben wir gar keinen Fahrstuhl. Eigentlich haben wir gar nichts. Berlin ist arm. Aber sexy. Wo genau sich diese Sexiness verstecken soll, weiß ich nicht, aber ich kann ja mal ein paar Touris interviewen.

Worauf ich eigentlich hinauswollte: Ich lese ein Buch.

Das ist so spannend, dass ich mit der U-Bahn zuweilen über mein Ziel hinausschieße und mich unerwarteterweise schon an verschiedenen Endhaltestellen im Umland wiederfand.

Nur gestern Abend, als ich mich niederlegen wollte, um noch ein bisschen weiterzukommen und zu sehen, wie es mit all den Kreuzottern und Taipanen im beschaulichen britischen Dörfchen weitergeht, da fand ich Herrn Wischmeyer neben meinem Bett.

Beziehungsweise eines seiner wortfreudigen Werke. Ich ließ Krimi Krimi sein und las einen Logbucheintrag.

Und noch einen.

Laut.

Bedingt durch eine nicht geringe Menge Prosecco, dem, nachdem seine Neige deutlich erreicht war, ein weiterer Piccolo folgte, sehr laut.

Die Nachbarn auf ihren Balkons schlugen sich auf die erzitternden Schenkel. Ich muss ja sowieso lesen üben. Darüber wurde es drei, sämtliche sprudelnden Alkoholika, derer man in diesem Haushalt theoretisch irgendwann einmal habhaft werden konnte, sind vom Erdboden verschwunden.

Jetzt ist mir kotterig. Und mein Schädel spricht, dass es keine besonders glorreiche Idee war, mitten in der Lesung die Sorte zu wechseln.

Aber was blieb mir anderes übrig? Sicher, ich hätte mich beschränken und nach den obligatorischen Freitagsgläschen zur Ruhe gehen müssen. Aber macht das Spaß? Wohl eher nicht. Und beschweren kann ich mich auch nicht. Meine Stimme ist zu derangiert zur Artikulation sinnvoller Sätze.

Das lag allerdings nicht am Lesen an sich, sondern eher an der Kommunikation mit dem Nachbarn, der kurz vor meinem doppelblickigen Kollaps quer über die Straße sang, wer denn so spät nach Mitternacht noch die Haustechnik mittels Romadur in ihrer Ausführung behindert. Ich brüllte zurück, dass das wohl nur eine deutsche Unsitte sein könne.

So wie sonntägliches Aufstehen um sieben Uhr, damit die Frühstückseier ihren Garpunkt pünktlich erreichen. Und um acht gibt es dann Filterkaffee.

Jetzt fällt mir auch ein, was ich beim heutigen Frühstück, was an Wochenendtagen gemeinhin gegen Mittag stattfindet, vergessen habe. Ein wachsweich gekochtes Ei im dafür vorgesehenen Becher. Stattdessen habe ich ein rohes Eigelb in das ebenfalls rohe Hackfleisch geworfen, mich damit wieder einem gewissen Salmonellenrisiko ausgesetzt und das Eiweiß weggeworfen.

Wenn das die Diätheinis wüssten! Nach deren Auffassung ist das ganze Gelbe vom Ei hochgradig gefährlich. Man brät nur das Eiweiß. In Mineralwasser selbstverständlich. Ich frage mich, welchen Nährwert dieses Gebräu haben soll. Keinen. Aber angeblich dient es der Kalorienreduktion.

Man könnte auch Wattebäuschchen mit Orangensaft tränken und herunterwürgen. Geschmacklich etwas intensiver. Obwohl das der pure Wahnsinn ist, denn gerade Orangensaft enthält wahnsinnig viele dieser kleinen, fiesen Tierchen, die nachts in den Kleiderschränken der Nation sitzen und die Klamotten des völlereiversessenen Bundesbürgers immer enger nähen.

Deshalb habe ich mich vom Kleiderschrank emanzipiert und lagere Großteile der Anziehsachen auf wilden Haufen – außerhalb von Leksvik. Wenn die Arbeitslosen hinter den Ikeaholztüren genug von ihrem Elend haben, wandern sie nach Irland aus und arbeiten im Callcenter.

So der Plan.

Der Gegenplan: Ich lese einfach mein Buch weiter.

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