Freudenfalten bei Geschlecht west

Nein, ich reihe keine unsinnigen Wortkombinationen aneinander. Ich habe nur wieder meine ganzen Lieblingswörter des Tages auf einmal verbraten.

Weil ich ungeduldig bin.

Meine angeborene Ungeduld versteckte ich heute hinter meinem Freitagsgesicht.

Als erstes warf ich die CDU-Postkarte weg. Dies geschah auf Betreiben meiner direkten Vorgesetzten, die diese Visage einfach nicht mehr sehen wollte. Und nachdem es nicht geholfen hat, dass sie mit der Tasse Kaffeeringe darauf applizierte, forderte sie mich auf, den schmallippigen Jüngling in der Rundablage zu versenken.

Es ging ganz schnell. Es tat kaum weh. Der Tag konnte kommen.

Wer nicht kam, war meine Kollegin. Es entwickelte sich eine Ahnung, dass es diesbezüglich einen kausalen Zusammenhang mit einem ernsten Gespräch, das sie mit unserem Chef hatte, gibt. Eigentlich wäre es ja meine Aufgabe gewesen, sie mitsamt ihren Qualifikationsmängeln in ihre Schranken zu verweisen, aber ich kam leider nie dazu. So lehnte ich mich zurück und lächelte. Oberflächlich, aber meine Mundwinkel zeigten tatsächlich nach oben.

Und mein Karma blieb sauber.

Wie die Sache ausgehen wird, steht in den Sternen. Aber da es bewölkt ist, ist mein Lesefluss in dieser Angelegenheit behindert.

Komischerweise sind die aktuellen klimatischen Außenbedingungen trotzdem recht gut. Zu gut. Vor allem für mein Ruhebedürfnis, das von den Menschen auf der Straße derzeit in enervierender Art unterminiert wird. Frei nach dem Motto Frühstücken Sie noch oder brunchen sie schon? kleben Menschenmassen auf dem Bürgersteig, den der Betreiber der ansässigen Restauration mit alten, bunt zusammengewürfelten Tischen vollgestellt hat.

Gut, dass ich nicht zur Straßenbahn in Richtung Ikea hetzen muss. Sonst würde ich mich schlussendlich wohl in irgendwelchen Antipastisinfonien wiederfinden – angerichtet auf einem schlicht-rustikalen, rot-weiß karierten Teller.

Aber ich will heute nicht ins schwedische Möbelhaus. Denn ich bin ganz zufrieden mit meinem Leben. Ich muss nichts kompensieren. Und Möbel brauche ich gerade nicht. Auch keine Servietten. Kerzen.

Denn zum einen habe ich heute meiner Lieblingsbeschäftigung gefrönt: Rechnungen schreiben und die Ablage in verschiedene Schreibtischschubladen umlagern, damit die Putzfrau am Montag putzen kann.

Das andere habe ich vergessen. Was kein Wunder ist, denn ich war in meiner kargen Freizeit damit beschäftigt, im Spiegel nachzuvollziehen, ob meine Kollegin Anne eventuell Recht haben könnte, weil sie meinte, dass man mir genau ansieht, was ich gerade mache und welchen Grad des Genusses mir das bereitet. Zum Beispiel wenn mir ein Pädagoge mitteilt, dass das Geschlecht des Kindes, das wir gerade bekommen haben, west ist. Das sieht man sofort. Weil ich Freudenfalten entwickle.

Also, der Spiegel kam gleich nach der Post, denn ich musste ein Paket abholen. Gleich bei Betreten hatte ich mein erstes Mal. Niemand vor mir. Am Freitag! Am Nachmittag! Kurz vor Feierabend! Die Postangestellten hatten das wohl auch noch nie erlebt, denn sie hielten eine Krisensitzung an den Paketregalen ab.

Aber ich habe es geschafft, man hat mich irgendwann wahrgenommen, und ich bin irgendwie nach Hause gelangt, wo mein Kind stolz verkündete, Pferdezüchter werden zu wollen. Er will die kleinste Pferderasse der Welt züchten. Peter Maffay soll darauf reiten. Als einziger auf dieser Erde. Ich glaube, das Kind hat zu viel Tabernakel geguckt.

Oder wie auch immer dieses Musical heißt, ich bin ja kein großer Musicalfan.

Ich bin im Moment nur Fan von Wochenende. Und vielleicht ein bisschen Prosecco.

Außerdem ist die Sommerpause vorbei. Jan-Josef Liefers hat es schon im Werbefernsehen verkündet – bald gibt es wieder Rocher. Ich habe gestern schon welche gekauft.

So viel zum Begriff bald. Die Werbung lügt! Zumindest gestaltet sie den Begriff recht dehnbar. Aber sowas macht sie ja immer.

Und frisch sind die einfach wesentlich besser, als es die Reste waren, die ich über den Sommer eingelagert hatte. Braun-gräuliche Klumpen mit weißem Überzug, mit denen ich lustige biologische Experimente machen wollte. Wenn ich sie nicht vorher aufgegessen hätte.

Da fällt mir ein, dass ich noch Kekse backen wollte. Die Frage ist: Ist null Uhr sechzehn die richtige Zeit für Kekse?

Die Antwortet lautet: Es ist immer die richtige Zeit für Kekse.

Und ich wundere mich: Alles auf der Welt geht natürlich zu. Nur mein Rock – der geht natürlich nicht zu.

Wenigstens beschränken sich also die Freudenfalten auf das Gesicht.

Wenn die keine Zivilisationslüge sind.

Ich habe keine gesehen. Aber das könnte am Licht liegen.

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