Schwache Nerven – gutes Herz

Scheinbar erlebe ich gerade eine Phase geistiger Umnachtung.

Allein schon der Aufzug, in dem ich mich heute Morgen auf den, auch am dritten Tag noch, beschwerlichen Arbeitsweg machte. Totenkopfleggings zu türkisenen Ballerinas mit roter Tasche.

Wer trägt denn bitte eine rote Tasche zu türkisenen Ballerinas? Also, wer außer mir?

Gegen elf Uhr elf fragte Anne dann Äh… sag mal… is heut Fasching?
Ja, ich habe mich lediglich verlaufen. So wie der Nikolaus.

Offenbar irrt der auf der Suche nach dem richtigen Ausgang durch meine Wohnung, frisst meine Kekse und lässt Gläser, aus denen eindeutig Milch getrunken wurde, in der Spüle zurück. Ich dachte ja erst, das Kind wäre heimlich da gewesen, aber dagegen spricht, dass die Gläser immer fein säuberlich eingeweicht werden. Und das vergisst mein Kind.

Allerdings habe ich nur den einen Ausgang. Und den kann man sogar finden!

Jedenfalls habe ich schon mal meine Schuhe geputzt. Egal, was er da rein tut – Schokolade, andere Schuhe und sonstige Grundnahrungsmittel, meinetwegen auch Bares.

Denn wenn ich meine Betriebskostenabrechnung auch nur noch einmal lese, werde ich mich minderbemittelt fühlen. Im pekuniären Kontext.

Oder auch, wenn es um das Heranholen meines Notizbuches geht. Dreimal musste ich losgehen, um dreimal mit etwas völlig anderem zurückzukommen, das spricht auch sehr für eine bisher nie erahnte Minderbemittlung.

Aber immerhin habe ich jedes Mal etwas anderes Schönes mitgebracht, so dass ich nicht gänzlich leer gelaufen bin. Denn wer leer läuft, muss eine Kiste Bier springen lassen. Eine bekannte Regelung unter Baureptilien jeglicher Art. Da ich keine Lust habe, eine ganze Kiste Hopfengebräus zu tragen, und mich auch gar nicht so wirklich schmerzfrei dazu in der Lage sehe, trage ich lieber ein paar Waren des täglichen Bedarfs hin und her.

So richtig schwer getragen habe ich heute auch genug, denn der Kurier, der zwei Tonnen Papierkram im Büro abliefern wollte, hatte einen Hexenschuss. Weil ich eben so ein gutes Herz habe, half ich ihm und schulterte die zwei Kartons, während ich mich fragte, was ich denn nur mit der anderen Hand tragen sollte.

Bis zur Chefetage bin ich damit gekommen, aber die ist bei uns unten.

Widersinnig, aber ganz basisdemokratisch.

Dort wuchtete ich sie vor die Tür. Sollen sie doch sehen, was sie damit anstellen! Ich bin für diese Schwere der körperlichen Arbeit definitiv unterbezahlt.

Außerdem hatte ich keine Zeit, der neue Ikeakatalog ist da.

Das wusste ich zwar vorhin noch nicht, aber ich hatte so eine Ahnung.

Irgendein diffuses Gefühl beschlich mich. Begleitet von einem Fersengang, der seine Ursache in den viel zu flachen Ballerinas fand. Eigentlich wollte ich nur da raus.

Und ich wollte nach Hause, denn hier lebe ich schon. Auch wenn böse Zungen behaupten könnten, es würde etwas verwohnt aussehen. Ganz böse Zungen sagen, es sieht total verwohnt aus. Und die Böseste von allen sagt, es sieht im Grunde aus wie Sau.

Bei Hempels unterm Sofa herrscht Ordnung! keift sie.

Das ist meine Zunge.

Die hat definitiv kein gutes Herz.

Nur schwache Nerven.

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