Zwei Tage war die Mutti krank…

… jetzt ist sie wieder im Büro. Man könnte sagen Gottseidank.

Ergebnis meiner Abwesenheit waren ein unbezwingbarer Berg an Kontoauszügen, ein von der Abteilungsleiterin höchst selbst an meinen Platz geschobener Luxusstuhl, während sie selbst sich wieder mit ihrer alten Gurke vergnügte, und hochtrabende Pläne in der Raumnutzungsänderung.

Anne und ich wollen wieder zusammensitzen. Um des lieben Friedens willen würden wir sogar die dauerabwesende, missmutige Kollegin aufnehmen, um dann gemeinsam ihren Launen zu trotzen. Entweder ist die dann besser drauf oder wir werden alle depressiv.

Aber das sehen wir im Januar, wenn sie wiederkommt. Oder im Februar, im März, im April… man weiß es einfach nicht. Man steckt ja nicht drin. Auf jeden Fall bekommt sie dann erstmal eine neue Aufgabe und wird ob dieser Veränderung gleich wieder krank.

Ich bin auch krank. Ich habe Rücken. Aber ich gehe damit zur Arbeit und schreibe die morgendliche Steifheit im Lendenbereich meinem Alter zu. Es ist nun mal so – ich krieche mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln auf die 40 zu. Und manchmal fühlt es sich eben an wie 100.

Kein Wunder, kaum bin ich wieder gesund, schon bin ich wieder im Stress. Und zwar total, nicht nur im Büro, auch so. Rein privat.

Erstens: ich muss lesen. Viola hat mir ein Buch zum Geburtstag geschenkt, und nur vier Monate danach kann ich sagen, dass es sich sehr schön liest, obwohl bis zur Seite 60 noch keine verstümmelte Leiche aufgetaucht ist. Zudem ist es auch äußerlich eine Zierde für jedes Bücherregal.

Zweitens: Daniel musste dringend mit mir über Neuigkeiten aus seinem sozioökonomischen Umfeld sprechen. Wer jetzt mit wem zusammen wohnt, und wie groß die beiden ungefähr sind, und wer vom wem einen Scheidenpilz bekam, welchen er mit nach Hause nahm, woraufhin derjenige leider von seiner Partnerin des Bettes und des Tisches, überhaupt der ganzen Wohnung verwiesen wurde.

Während die zweite Information mein erfülltes Fortbestehen auf diesem Planeten gewährleistet, konnte ich bei der ersten – zumindest zur Hälfte – mit genauen Zentimeterangaben präzisieren, was auf Daniels Seite zu der verwirrten Frage führte, wie gut ich denjenigen eigentlich kenne.

Hätte ich Zeit, Mittel und Gelegenheit gehabt, und wäre ich in der entsprechenden Stimmung gewesen, hätte ich erschöpfend darauf geantwortet, so blieb mir nur anzudeuten, dass wir einst mit einem Zollstock nachgemessen haben, dann aber bewies Daniel wieder einmal, dass er einfach die lautere Stimme hat, und berichtete munter weiter.

Diesmal über seine Erlebnisse, als er mal für zwei Tage in einer Waldorfschule tätig war, um dort zwei Treppenstufen zu erneuern.

Ordentlich, wie er beim Arbeiten nunmal ist, hat er besagte Treppe dazu beidseitig mit Flatterband und einem formschönen Pappschild mit eigentlich eindeutigen verbalen Anweisungen angebracht.

Aber ach, Waldorfschule… er hätte das Geschriebene besser tanzen sollen. Damit es auch das pädagogische Fachpersonal versteht.

Die Pause brach los, eine Horde Kinder brach aus, im Schlepptau eine Art Lehrerin, die er wohlmeinend als Trulla bezeichnete, die hinterherwuchtete, sich das Band besah, das Schild entzifferte, beides herunterriss und sprach:
Wir lassen uns doch hier nicht einschränken!

Die Kinderhorde trampelte hinüber, Daniel strich den frischen Estrich glatt.

Zehn bis zwanzig Minuten später, die Pause war wohl beendet, die Kinderhorde trampelte zurück, Trulla hinterher. Daniel strich den Estrich glatt.

Dieses Spiel fand seinen Höhepunkt in regelmäßiger Wiederholung, teilweise mit schwerem Gerät, das ebenfalls seine Spuren im frischen Beton hinterließ, bei gleichbleibender Ignoranz der zweiten Treppe, welche im Abstand von fünf Metern daneben in die selbe Etage führte.

Deshalb waren für die zwei kleinen Stufen zwei ganze Arbeitstage konzipiert worden!

Man hätte bis zu den Sommerferien warten sollen, warf ich in meinem jugendlichen Leichtsinn ein.
Nee, die Mittel mussten ja weg, klärte er mich auf.

Ja, ja, das mit den Mitteln ist immer ein schönes Argument. Ich freue mich, wenn welche vorhanden sind. Ich freue mich noch mehr, wenn mein Arbeitgeber das auch so sieht und Weihnachtsgelder in unerträumten Höhen auszahlt.

Am meisten würde ich mich aber freuen, wenn die vorhandenen pekuniären Ressourcen dazu genutzt würden, lesefähiges und kognitiv belastbares Lehrpersonal einzustellen, um der gemeinhin um sich greifenden Verdummung in diesem Lande beizukommen.

Ein Gedanke zu “Zwei Tage war die Mutti krank…

  1. Waldorfschule ist nicht unbedingt es Synonym für Dummheit! Wäre es nicht möglich gewesen am Wochenende die Arbeiten an der Treppe zu verrichten.
    Sicher hast Du Recht dass die Lehrmethoden fragwürdig sind, das ist aber dennoch kein Grund diesen Menschen den Stempel „DUMM“ aufzudrücken…

    Liebe Grüße
    Anke

    Like

Hinterlasse einen Kommentar